Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
sitzt, ist leer. Niemand zu sehen. Nur zwei Krähen, die sich um ein Hotdog-Brötchen streiten.
Sie geht in die Citygalerie und sucht ihn bei Sture & Co. Er ist nicht da. Auf dem Weg nach draußen kommt sie an der Kristallgrotte vorbei. An der Tür hängt ein Zettel, dass das Geschäft wegen Inventur geschlossen ist, aber sie nimmt den süßlichen Geruch von Räucherstäbchen wahr.
Als Linnéa auf die Straße zurückkommt, wird sie von der Sonne geblendet.
Vor ihr schieben drei Mütter ihre Kinderwagen nebeneinanderher. Linnéa geht eilig im Bogen um sie herum und spürt, wie die drei ihre Haare, ihre Schminke, ihre Kleider und Schuhe angaffen. Ihre ganze Person. Vermutlich ist es der schlimmste Mütter-Albtraum, dass die drei kleinen Sonnenscheinchen eines Tages groß werden und rumlaufen wie Linnéa.
An einem anderen Tag hätte sie sich umgedreht und zurückgeglotzt, aber heute nicht. Nicht, solange sie nach ihm sucht.
Gestern, nachdem Olivia von Papa erzählt hatte, ist Linnéa dieselbe Runde gegangen. Citygalerie, Schnapsladen, Storvallspark. Das Bermudadreieck des Alkohols in Engelsfors.
Wenn sie ihn findet, weiß sie, dass Olivia sich geirrt hat. Es wäre fast eine Erleichterung.
Sie hat so oft erlebt, wie er »trocken wird«. Hat sich erlaubt zu hoffen, nur um dabei zuzusehen, wie er jedes seiner Versprechen immer wieder brach. Als in der Achten alles endgültig zusammenstürzte und ihm das Sorgerecht für sie entzogen wurde, hat Linnéa beschlossen, ihm nie mehr zu vertrauen. Ihm nie mehr zu glauben, wenn er sagte, dass es ihm diesmal wirklich ernst damit sei.
Dann hat sie ihre Wohnung vom Jugendamt bekommen und sich ein eigenes Leben aufgebaut – ohne ihn. Das Letzte, was sie will, ist, dass er vor ihrer Tür auftaucht, mit einem unbeholfen eingepackten Geschenk und Versprechungen, die er nicht halten kann. Aber für den Fall, dass er genau das tut, will sie wenigstens vorbereitet sein.
Linnéa zieht ein letztes Mal an ihrer Zigarette und schnippt die Kippe weg. Sie bleibt vor dem geschlossenen Café Monique stehen.
Vor dem Schnapsladen sitzt Påsen und döst in der Sonne. Ab und zu wirft er einen Blick zur Ladentür. Seine Brillengläser sind braun getönt, und Linnéa ist sich nicht sicher, ob er sie gesehen hat. Wenn, hätte er ihr sicher zugerufen, dass Björns Mädchen rüberkommen und Hallo sagen soll, um dann, weil sie das nicht getan hätte, zu pöbeln, dass es verdammt noch mal eine Schande wäre, wie sehr sie sich neuerdings verändert hatte.
Linnéa streckt die Fühler nach Påsens kaputtem Hirn aus. Er ist ungeduldig. Er wartet auf jemanden, aber in seinen entzugsgeplagten Gedanken kann sie nicht erkennen, auf wen.
Linnéa bleibt stehen, bis sich die Tür des Schnapsladens öffnet und Doris’ gekrümmte Gestalt auftaucht. Sie schiebt ihren Rollator mit den klirrenden Plastiktüten im Korb vor sich her. Påsen hebt den Daumen und denkt fieberhaft an die Wodkaflasche, von der er weiß, dass Doris sie gekauft hat.
Linnéa geht weiter. Sie kommt an Ingrids Lädchen vorbei, dem Secondhandgeschäft, in dem sie ab und zu im Tausch gegen Stoffe und alte Kleider, die sie umnähen kann, aushilft. Weil Ingrid ziemlich wenig Kundschaft hat, bleibt ziemlich viel für Linnéa übrig. Erst neulich hat sie eine riesige Wolke aus schwarzem Tüll bekommen, und sie hat schon eine genaue Vorstellung davon, was sie daraus machen will.
Ihr Blick wandert zur ehemaligen Bibliothek. Die Türen stehen weit offen. Drinnen sind drei Männer im Blaumann. Sie versuchen, eine Bohrmaschine zu übertönen. Die Fenster sind mit Papier abgeklebt.
Linnéa nähert sich dem Storvallspark. Schon aus der Ferne entdeckt sie zwei Typen auf einer Parkbank. Der eine hat ein Radio dabei, das er abwechselnd lauter und leiser dreht. Aus den Lautsprechern dringt ein endloser Bericht über die Windgeschwindigkeit am Skagerrak.
»Mach den Scheiß aus!«, brüllt der andere lallend, und Linnéas Herz setzt kurz aus, als sie das verquollene Gesicht sieht und die leicht lilafarbenen Hände, die nach dem Radio greifen und es auf den Boden schleudern, sodass der Seewetterbericht verstummt. Der Besitzer des Radios zetert lautstark.
Keiner von ihnen ist Björn Wallin.
16. Kapitel
F
unkel, funkel, kleiner Stern …« Vanessa lässt ihre Stimme leise ausklingen. Melvin ist endlich eingeschlafen.
Sie bleibt noch einen Moment sitzen. Hört seinen Atemzügen zu. Betrachtet den Kuschelpinguin, den er im Arm hält. Erinnert sich an den
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