Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
an«, sagt sie, plötzlich ernst. »Ob die Seele fortgegangen oder hängen geblieben ist. Und ihr müsst den Namen des Toten wissen.«
»Diese Seele ist eindeutig hängen geblieben«, sagt Vanessa. »Und wir wissen, wie sie heißt.«
Das Schloss der Badezimmertür klickt.
»Wir besprechen das nach dem Wochenende«, sagt Mona.
»Aber es ist dringend!«
»Nicht in meiner Welt. Komm am Montag in meinen Laden. Und zieh dir was Hübsches an.«
24. Kapitel
M
inoo hält das rote Tablett fest umklammert und scannt den Speisesaal. Das Stimmengewirr ist ohrenbetäubend. Alle versuchen gleichzeitig, einander zu übertönen. Geschrei, lautes Gelächter, klingelnde Handys und klapperndes Besteck, Stühle, die über den Boden kratzen.
Es gibt jede Menge freier Plätze, aber wohin kann sie sich setzen, ohne sich wie ein Eindringling vorzukommen?
Sie entdeckt Linnéa an einem Tisch mitten im Saal, zusammen mit diesem blauhaarigen Mädchen. Sie sind umgeben von einer Gruppe anderer grimmig guckender Alternativer. Minoo wünschte, sie hätte auch einen Tisch, an den sie so offensichtlich gehört.
Sie kann Anna-Karin nirgends entdecken. Vermutlich hat sie das Essen schon runtergeschlungen und sich danach irgendwo verkrochen. Minoo könnte es gut verstehen. Von Viktor Ehrenskiöld in nahezu jeder Unterrichtsstunde überwacht zu werden, würde sie auch zusammenbrechen lassen.
Schließlich entscheidet sie sich. Sie setzt sich an einen Tisch, an dem schon ein paar Computerspiel-Freaks aus der Parallelklasse sitzen. Sie sind so mit ihrer digitalen Welt beschäftigt, dass sie nicht mal in ihre Richtung schauen. Genau, wie sie gehofft hat.
Die Kartoffelpuffer sind zäh, offenbar wurden sie stundenlang warm gehalten. Sie hat gerade den ersten Bissen im Mund, als sich jemand ihr gegenübersetzt. Sie schaut hoch und blickt in Viktors Gesicht.
»Hi«, sagt er.
Sie schaut wieder nach unten.
»Bin ich unsichtbar geworden?«, sagt er und versucht es wie einen Scherz klingen zu lassen. »Vielleicht ist Vanessa ansteckend?«
Minoo konzentriert sich darauf, die Kartoffelpuffer langsam in kleine, ordentliche Stücke zu schneiden. Das ist albern, aber es ist ihr peinlich, vor Viktor zu essen. Schon seine bloße Anwesenheit sorgt dafür, dass ihr alles so
physisch
vorkommt. Als wäre sie nichts als ein großer, plumper Menschenkörper mit einer Menge abstoßender Absonderungen und er ein ätherisches Wesen, das durch die Luft schwebt und von Nektar und Vogelgesang lebt. Geht er überhaupt aufs Klo? Sie kann es sich nicht vorstellen.
Viktor beugt sich über den Tisch. Wieder wundert Minoo sich darüber, dass er nach nichts riecht. Was dazu beiträgt, dass seine ganze Ausstrahlung ein bisschen unheimlich ist. Falsch. Nicht richtig menschlich.
Aber wer hat behauptet, dass Viktor ein Mensch
ist
? Vielleicht hat Ida recht. Wenn es Dämonen und Hexen gibt, warum nicht auch alles Mögliche andere?
»Ich bin nicht dein Feind«, sagt Viktor leise. »Ich werde kein Verhör führen, ich helfe nur meinem Vater. Und der ist auch nicht euer Feind. Er sorgt nur dafür, dass die Gesetze befolgt werden. Davon profitiert jeder von uns. Sonst würde alles im Chaos enden.«
Minoo schweigt. Sie merkt, wie die Computerspiel-Freaks vom anderen Ende des Tischs zu ihnen rüberschielen. Es würde sie nicht wundern, wenn demnächst Gerüchte über sie und Viktor in Umlauf kämen.
»Komm schon, Minoo. Früher oder später musst du mit mir reden«, flüstert Viktor.
Muss ich?, denkt Minoo und schneidet weiter Kartoffelpuffer.
»Hallo?«, sagt Viktor und berührt ihre Hand.
Sie zuckt zusammen und lässt das Messer fallen.
»Entschuldige«, sagt er und zieht hastig seine Hand zurück. »Ich verstehe nur nicht, warum du dich so kindisch benimmst. Du bist doch die Klügste von allen. Ich meine nicht nur in … eurer Clique, sondern in der ganzen Schule. Schau dich doch um. Du bist die Einzige hier, mit der ich mich anfreunden könnte.«
Minoo hebt den Kopf und begegnet seinem Blick. Sie kann nicht länger schweigen.
»Soll ich mich jetzt
geschmeichelt
fühlen?«
»Ich sage nur, wie es ist«, erwidert Viktor ruhig.
»Wir beide werden niemals Freunde«, entgegnet Minoo genauso ruhig. »Anna-Karin ist meine Freundin.«
Im selben Moment, in dem sie das sagt, weiß sie, dass es stimmt. Bei der Erkenntnis macht es plötzlich klick. Anna-Karin ist ihr wichtig. Nicht nur, weil Anna-Karin eine der Auserwählten ist, sondern weil sie Anna-Karin ist. Minoo ist sich
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