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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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neben Theo.
    «Nichts mehr zu machen. Exitus.»

 
    HANNA
     
     
     
    Hanna, vom Kratzen ihres ausgesperrten Katers allmählich aus dem Strom zähtreibender Bilder und Assoziationen herausgerissen, rollte auf die andere Seite des Betts hinüber, um Tuğrul zu umschlingen, an seinen Ohrläppchen zu knabbern. Doch sein Platz war leer. Sie schreckte hoch – und war im selben Augenblick beruhigt: sein Termin beim Amtsgericht Tiergarten! Sie kuschelte sich in seine Kissen, und als die sich ein wenig erwärmt hatten, war er wieder neben ihr.
    Tuğrul – ein fernes Grummeln, ein leises Erdbeben. Das g in der Mitte seines Namens wurde nicht gesprochen, es war nur da, um ihn geheimnisvoller zu machen… Ihre Gedanken gingen tausend Jahre zurück.
    Seldschuken, Türken unterwandern und erobern Bagdad und das Abbasiden-Reich. Togril, ihr Sultan, wird Herr über Afghanistan, Aserbaidschan und Chorasan. Vieles mischt sich, alles mischt sich.
    Tuğrul, mein Seldschukenprinz; Tuğrul, mein Sarazenensultan. Zu Zeiten, als die Kochales noch in Erdlöchern hausten und Wurzeln fraßen. Tuğrul – ein fernes Grammeln, geheimnisvoll, ein leises Erdbeben.
     
    Ich küßte ihn, da wurden noch schwärzer seine Augen,
    Die zaubernden…
     
    Seit sie ihn kannte, las sie Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten hintereinander weg, wie im Rausch.
    Die zwölf Bände der Taschenbuchausgabe lagen überall herum.
     
    Ich schwöre bei seiner Wange und bei seinem lächelnden Mund…
    Bei seinen weichen Formen, seines Blickes zartem Licht…
    Bei seinem duftenden Atem und bei dem Tau so rein,
    Der in seinem Munde fließet, süßer als alter Wein…
    Von seinem Hauche duften die Wohlgerüche zumal…
     
    Das war die Geschichte von Kamar ez-Zaman; viele Verse kannte sie schon. Kochale dagegen…
    Dieser bierstinkende Landsknecht; dieser verhinderte Fremdenlegionär! Bei allem immer nur action; einmal rein, einmal raus, fertig ist der kleine Klaus.
    Tuğrul: Moschus und Anis, wilde Minze und Zuckermelone, Tabak und Raki, Hammel-Kebab, über der Glut gewendet, kräuterbestreut…
    Sie bekam Hunger.
    Draußen in der Küche lagen noch gefüllte Auberginen (Patlican Dolmasi), die sie gestern abend, nicht ohne Bangen erstmals türkisch kochend, mit Tugruls Hilfe zubereitet hatte. Schabefleisch, wie die Berliner sagten, bei ihr in Jever hieß das Beefsteakhack, Patnareis, Tomaten, Zwiebeln, Petersilie, Dill, frisch gemahlener Pfeffer, Paprika, edelsüß. Auch jetzt noch schmeckte das Zeug so gut, daß sie es förmlich in sich hineinfraß.
    Auf der Suche nach einer Serviette entdeckte sie Tugruls Morgengruß, mit einem Filzstift rosenrot auf ihre schneeweißen Kacheln geschrieben:
     
    Ich bin ein Weiser, doch vor deiner Schönheit töricht;
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, verwirrt im Sinn.
    Nenn ich dich Sonne – deine Schönheit schwindet niemals
    Vor meinem Blick; doch die Sonnen sinken hin.
    Dich schmückt vollkommne Zier, die der beredte Mann
    Nicht künden und von der kein Sänger singen kann…
     
    Daneben war mit Tesafilm eine rote Rose an die Wand geklebt.
    Hanna genoß es – insbesondere wenn sie dachte, was für Zettel Kochale immer zurückgelassen hatte: Kein Kaffee mehr da, nachher nicht vergessen! oder 17 Uhr Café Möhring. Gruß und Kuß, K.
    Sie war kein Morgenmensch, und sie trödelte entsetzlich langsam in den Tag hinein, tat eigentlich nichts und dennoch alles, röstete sich ihren Toast, lackierte sich die Fingernägel, rauchte, trank Kaffee, hörte Platten, Georg Danzer und Stanley Turrentine (eigentlich nur gekauft, um Kochale zu ärgern), wusch ein paar Slips und las die Geschichte von «Ala ed-dîn abu esch-schamât» zu Ende (… und sie lebten herrlich und glücklich, bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt und die Freundesbande zerreißt). Zwischendurch fand sie noch Zeit, die aktuellen Sendungen von RIAS, SFB, AFN und Stimme der DDR zu hören und all die Papiere zusammenzuraffen, die sie für Q-Müller brauchte; ihr lange ausgebrütetes Forschungsdesign.
    Sie genoß dieses Chaos, wenn auch hin und wieder von der Angst geplagt, ihre Mutter könnte plötzlich auftauchen und sie, wie über anderthalb Jahrzehnte hinweg, mit Hausarrest und Taschengeldentzug bestrafen. Oder Kochale: Wenn das später auch mal so schlampig zugeht wie jetzt, können wir die Firma gleich zumachen! Von einer Juristin kann man doch wenigstens ein bißchen Ordnung und ein bißchen Planung verlangen!
    Von einer Juristin…

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