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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Wohnung. Gelegenheitsarbeit als Gerichtsdolmetscher, eigentlich aber ebenfalls arbeitslos.
    Als sie in die Wohnung kamen, zwei Stuben, eine Küche, saß eine ganze Männergesellschaft beisammen und spielte tarla. Alles Verwandtschaft, wie Tuğrul ihr sagte, die akraba: amca, day i und eni ş te, was heißen sollte: sowohl der Bruder des Vaters wie der der Mutter und ein angeheirateter Onkel. Dazu Muhat, ein wesentlich jüngerer Mann.
    Ziemlich beklommen murmelte Hanna ihr: «Günaydın… äh, Merhaba!» Ein Sprachgenie war sie leider nicht. Und auf die Frage «Türkçe bilir misiniz?», vom schnauzbärtigen Onkel nicht einmal unfreundlich gestellt, konnte sie nur mit nein antworten: «Hayır!» Worauf Önal Bey, Herr Önal, etwas sehr Hämisches sagte, wie sie aus dem Tonfall herauszuhören glaubte.
    Tuğrul zog sie jedenfalls weiter zur Küche, wo Frau Önal, Önal hanim, gedrungen und in Kittelschürze, Pastatesle Kuzuete zubereitete, Lammfleisch mit Kartoffeln. Sie begrüßte Hanna mütterlich und herzlich. Ahnte sie was, wußte sie was? Sah sie in ihr schon die künftige Schwiegertochter, die gelin ?
    Eine Szene, die Tuğrul offensichtlich peinlich war, die seinen Stolz verletzte: Du bist nichts, du hast nichts, und du wirst vor die Hunde gehen. Nimmst du aber dieses Mädchen – sie wird viel verdienen, sie wird viel erben! –, dann bist du gerettet, dann sind wir gerettet…
    Hanna wandte sich Ayşe zu, die mit Mehmet, das war Ismails Freund, am Küchentisch saß und unter der Anleitung eines deutschen Lederjackenjünglings Skatspielen übte. Sie setzte sich hinter Ayşe aufs Fensterbrett und sah den dreien zu. Zeit für Tuğrul, mit seiner Mutter zu reden, über dieses und jenes, und wieder bessere Laune zu bekommen.
    Hanna half Ayşe dabei, einen Grand ohne zwei zu gewinnen, und kam dann mit Mehmet ins Gespräch, der kurzzeitig mal Arbeit hatte, bei BMW am Fließband («große Motorräder!»), und sie für eine Journalistin hielt.
    «Schreiben Sie mal, was das für große Sauerei ist, der neue Ausländerknast Tempelhof. Ich Ismail besucht: Wie die Tiere werden sie da in Käfig gesperrt. Ist sehr schlimm!»
    Auch Frau Önal bestätigte das durch heftiges Kopfnicken. Zu sprechen wagte sie nicht, da ihr Mann ihr jeden Besuch bei Ismail verboten hatte.
    Hanna wandte sich an Ismails und Mehmets deutschen Freund, den sie hier Happy nannten: «Sind Sie auch schon im Knast gewesen?»
    Happy, der gerade nachrechnete, ob seine Kreuz-Flöte für ein Spiel ohne drei ausreichte, sah sie von unten herauf an. «Wie…?»
    Hanna lachte. «Nicht selber! Ich meine, ob Sie Ismail auch schon besucht haben?»
    «Nein…»
    «Nun spiel endlich!» rief Mehmet.
    Hanna kam nicht darauf, aber irgendwo hatte sie diesen Happy schon mal gesehen. Diese hellblond gefärbten Löckchen, dieses goldene Kettchen um den Hals… Nee; aussichtslos.
    «Wenn’s im Knast so unmenschlich ist, dann müssen die sich mal dagegen wehren – Bambule machen», sagte Hanna.
    «Und alle ab in den Bunker, wie?» Darüber konnte Mehmet nur lachen, und Frau Önal machte ein entsetztes Gesicht.
    Tuğrul lehnte in der Tür und hörte wortlos zu. Seine Mutter, die nachher noch zur Nachtschicht mußte, kam immer mehr ins Schwitzen. Die Männer, durchweg ohne Arbeit, saßen nebenan, tranken, spielten, lachten und schimpften über den Dunst, der von der Küche her durch die kleine Wohnung zog. In der Tat, die Wände waren schon so feucht, daß die Tapeten nicht mehr hielten. Wenn er das Standbein wechselte, hatte Tuğrul das Gefühl, durch den Boden zu brechen. Verfault war das Holz unter dem abgetretenen Linoleumbelag. Nachdem er kurz die Augen geschlossen hatte – Hanna entging es nicht –, nahm er einen altertümlich-langen Schlüssel von der Wand und verließ die Wohnung. Die Toilette war auf halber Treppe, und Hanna hätte sich eher mit einem Blasenleiden ins Krankenhaus einliefern lassen, als sie zu benutzen.
    Als Tuğrul zurückkam, warf sein Vater die Karten auf den Tisch, erhob sich und pflanzte sich vor ihm auf. Dann schnauzte er ihn an, kommandierte ihn zum Tisch, warf ihm einen Schreibblock hin und diktierte ihm, nachdem Tuğrul sich hingesetzt und einen Kugelschreiber gefunden hatte, ganz offensichtlich einen Brief. Tuğrul mußte gleich übersetzen und alles auf deutsch zu Papier bringen.
    Hanna erschrak darüber, wie Tuğrul sich duckte, wie er nicht aufzumucken wagte. Da gab er sich als Progressiver, als Sozialist, ließ sich dafür

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