Feuer fuer den Grossen Drachen
ich in der Fahndung war.»
«Hatte er also Angst?»
«Ja.»
«Na, komm! Wenn man scharf auf einen ist und so ‘n richtigen Druck drauf hat, dann… Vielleicht hat er ‘n andern gehabt?»
«Weiß ich nicht.»
Mannhardt registrierte, wie seine Sympathien für Niyazi langsam, aber sicher schwanden.
Kunze gab Mannhardt ein Zeichen, mal weiterzumachen, und Mannhardt brauchte ein paar lange Sekunden, um den Anschluß zu finden, schaffte es schließlich mit der Suche nach Feuerzeug und Zigaretten und dem Aufreißen der ewig klemmenden Fenster.
«So…» Er rückte seinen Stuhl zurecht und sah Niyazi an. Der sah müde aus und fiebrig. «Du weißt ja, daß wir dich nur auf Grund eines anonymen Anrufs geschnappt haben. Erst dachten wir, ‘s wär ‘n Landsmann von dir gewesen, aber wenn ich mir das Band, die paar Worte da, öfter anhöre, dann glaub ich eher, daß es ‘n Deutscher ist, der ‘n paar Worte Türkisch kann. Und du hast doch vorhin gesagt, daß da bei eurer Gruppe, die bei der Neuen Chance Bambule gemacht hat, auch zwei Deutsche bei waren. Hör mal…» Mannhardt drückte auf den entsprechenden Knopf seines Geräts.
Poliste? Evet. Bir ihbarda hulunmak, äh, istiyorum. Äh… acele! Niyazi Turan – adres: Oranienstraße 176. Mörder, Verbrecher, du ihn finden in Wohnung von Zehra, dritte Stock…
Niyazi reagierte überaus spontan: «Das ist doch Happy!» Folgte ein Schwall türkisch-deutscher Schimpfwörter.
«Na, bitte!»
Viel mehr als diesen Spitznamen erfuhren sie nicht, nur daß dieser Happy irgendwo im Kiez beheimatet war, zwischen Oranien- und Mariannenplatz vielleicht, und die meiste Zeit bei den Türken herumhing.
Und obwohl Kunze das Ganze für ein geschicktes Ablenkungs- beziehungsweise Entlastungsmanöver des jungen Türken hielt, blieb ihnen nichts weiter übrig, als wieder nach Kreuzberg zu fahren.
Niyazi kam zurück in seine Zelle, und sie beschlossen, erst einmal in ihrem Stammlokal am Wittenbergplatz ordentlich was zu essen. Ein ziemlich dämlicher Beschluß, denn kaum hatten sie sich hingesetzt, da erschien Dr. Weber in der Tür und nahm an ihrem Tisch Platz («… die Herren werden doch gestatten?»).
Auch der Kriminaldirektor hatte seinen schlechten Tag. Es war ihm deutlich anzumerken, und er war auch schnell bereit, Kunze und Mannhardt über den Grund seines Mürrischseins zu informieren: Von seinem geliebten Superpuzzle, Breughels Bauernhochzeit, seien drei Teile verschwunden, und er habe seine Frau in Verdacht, sie beim letzten Hausputz mit weggesaugt zu haben. Großer Krach zu Hause, und sie weigere sich immer noch, ein Geständnis abzulegen.
Mannhardts Hand war automatisch in die rechte Jackentasche gefahren – vergeblich natürlich; auch schlichte Oberkommissare kleiden sich festlich, wenn sie bei Kriminaldirektoren eingeladen sind, anders als bei Ausländervernehmungen… die fehlenden Teile des Puzzles steckten in der Tasche des dunklen Anzugs.
Er unterdrückte ein Grinsen.
«Ich höre, Sie sind mit dem Niyazi immer noch nicht weiter», sagte Dr. Weber. «Ach, wie das Vatan freut!»
Kunze informierte ihn kurz.
«Soso, Meyerhoffs Lustknabe war er. Vielleicht der anonyme Anrufer auch – hab ich’s nicht gleich gesagt. Aber ihr wollt ja nicht auf mich hören. Wie sagte schon Salomo, der Prediger: ‹Ein Widerspenstiger macht einen Weisen unwillig und verderbt ein mildtätiges Herz›… Aber möglichst schnell befördert werden, das wollt ihr.»
Dr. Weber zog ein Flugblatt aus der Tasche, das die Staatsschützer Minuten zuvor, gerade eben, in einer Underground-Druckerei sichergestellt hatten; oben in türkisch, unten auf deutsch:
K-y
Kurtuluş-Yeter! – Befreiungskämpfer, jetzt reicht’s! Die Deutschen brauchen uns, damit ihre Wirtschaft funktioniert. Und wir zahlen Steuern und Versicherungsbeiträge.
Darum:
Schluß mit der Diskriminierung am Arbeitsplatz, in der Schule und im täglichen Leben! Schluß mit Ausweisung und Abschiebung! Schluß mit den Brandanschlägen in Kreuzberg! Schluß mit der Ermordung unserer Landsleute!
Wir fordern:
Aufhebung der Zuzugssperre für unsere Angehörigen.
Menschenwürdige Wohnungen im gesamten Stadtgebiet.
Mehr türkische Lehrer für unsere Kinder.
Mehr Lehrstellen für unsere Kinder.
Arbeitsplätze mit Aufstiegschancen.
Gleichstellung unserer Religionsgemeinschaften.
Das kommunale Wahlrecht.
Türken aller politischen und religiösen Richtungen, vereinigt Euch zum Kampf um Eure Rechte! Wir werden sie uns
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