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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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    Wer nicht hören will, muß fühlen!!!
     
    «Eine sehr ernst zu nehmende Drohung», meinte Dr. Weber. «Wir wissen, daß Sprengstoffanschläge auf deutsche Institutionen geplant sind – alles eskaliert. Es wird ein heißer Sommer werden.»
    Kunze schlug mit der flachen Hand auf das Flugblatt. «Das haben doch die Kommunisten gemacht, Ost-Berlin, um hier Unruhe zu stiften.»
    Mannhardt gelang es nicht mehr, sich auf die Zunge zu beißen. «Da sind wir doch selber schuld daran, daß das alles so gekommen ist. Bei dem Peter-Prinzip, das hier herrscht: Jeder steigt so lange auf, bis er die höchste Stufe seiner Unfähigkeit erreicht hat.»
    Dr. Weber grinste. «Darum bin ich ja auch für ‘n Beförderungsstopp.»
    «Hundert Eisenbahnzüge chartern – und alle raus!» knurrte Kunze.
    Das Essen kam, Schweinshaxe, Gulasch und Forelle blau, und sie wandten sich Wichtigerem zu: dem polizeiinternen Klatsch.
    Dann wurden sie von Dr. Weber mit launischen Worten verabschiedet: «Seid nett zu den Mördern, denn ohne sie wärt ihr alle arbeitslos!»
    Folgte ein kleiner Streit, denn Mannhardt wäre lieber vom Wittenbergplatz aus mit der U- bzw. Hochbahn nach Kreuzberg gefahren, wieder mal mit dem Orient-Expreß, wie sie die grüne Linie 1 von hier ab in Richtung Osten ihrer mehrheitlich türkischen Benutzer wegen nannten, aber Kunze beharrte auf dem eigenen Wagen: Der Fußweg vom Kottbusser Tor zum Erkelenzdamm sei ihm zu lang.
    Das neue Polizeirevier an der Gettogrenze Oranienplatz hatten sie endlich fertiggestellt: Vorposten, Fort, Bastion und Festung, und mit ihm auch die vergitterten Räume, die für die Sonderkommission SO 36 vorgesehen waren. Berlin war straßenschlachterprobt, und den Oberen war nicht bange – hatte doch die Niederwerfung Aufständischer im Tal der Spree seit einem halben Jahrtausend immer geklappt: 1448 Sieg der ersten Hohenzollernfürsten beim «Berliner Unwillen», 1848 Sieg des königlichen Militärs und Beisetzung der Märzgefallenen im Friedrichshain, 1919 Sieg von Reichswehrminister Noske – Regierungstruppen plus Freikorps – über die Berliner Spartakisten…« Die Straße dient lediglich dem Verkehr» (Pol Präs von Jagow 1910). Im übrigen funktionierte das offenbar systemübergreifend: In den fünfziger Jahren kriegten die Arbeiter auf der Stalinallee, in den sechziger Jahren die Westberliner Studenten einen Schuß vor den Bug. So betrachtet, dachte Mannhardt, bestand wenig Anlaß, den Türkenaufstand zu fürchten; fragte sich nur, ob er noch einen Arzt fand, der ihn schnell mal krankschrieb, wenn Berlins heißer Sommer begann. So schön eine industrielle Reservearmee türkischen Geblüts für manche auch war, er verspürte wenig Verlangen, ihretwegen den Heldentod auf Kreuzberger Straßen zu sterben.
    Bedrohlich genug war’s wohl schon, denn als sie sich jetzt dem Oranienplatz näherten, da gab’s kaum noch eine Häuserwand, die nicht mit kämpferischen Parolen bemalt war. Und überall dieses K-Y-Fanal einer, wie er fand, längst überfälligen Sammlungsbewegung.
    Auch bei ihren Kollegen im neuen Revier war das drohende K-Y Thema eins. Sie fürchteten die Flut, fühlten sich von ihren Oberen allein gelassen und suchten ihre Angst durch immer neue Haßausbrüche zu bewältigen. Als Mannhardt vorsichtig einwandte, daß die Türken mit ihren Forderungen so unrecht gar nicht einmal hätten, kam schnell der Zwischenruf: «Mann, und du bist der Oberkanake!» Die Worte seiner Tochter zu wiederholen, daß das Volk der KZ-Bauer den jetzigen Minderheiten gegenüber ganz bestimmte moralische Verpflichtungen habe, fehlte ihm der Mut; er verwies auch nicht darauf, daß man, ändere man die Lage der Ausländer nicht schnellstens, kein Recht mehr habe, die anderswo geschehene Verletzung der Menschenrechte noch anzuprangern. Hätte ihm letzteres schon die Mißbilligung seiner rechten SPD-Genossen eingebracht, so wäre ersteres hier eine Art sozialer Selbstmord gewesen; Lynchstimmung lag in der Luft. Und diejenigen unter seinen Kollegen, die in privaten Gesprächen ganz seiner Meinung waren, stimmten jetzt am lautesten ins Wolfsgeheul mit ein: Losschlagen, ehe es zu spät war.
    Kunze blätterte in den herumliegenden Zeitungen, BILD, BZ und Morgenpost, tat es, ohne zu ahnen, daß er es war, der die Schlagzeilen der morgigen Ausgaben bestimmen sollte.
    Norbert Kunze, 52 Jahre alt, geboren in der Manteuffelstraße, Berlin-Kreuzberg, verheiratet, zwei Söhne, einer beim Zoll, der andere bei der Post,

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