Feuer fuer den Grossen Drachen
schon die nächste Straftat begangen. Und weil das so ist, müssen wir Klansmänner jetzt endlich was dagegen tun.
Hock: Du hast ja recht, aber…
Mallwitz: Kein aber!
Hock: Wenn da hundert Kanaken bei mir abkratzen, das gibt doch ‘n Riesenskandal – da krieg ich doch selber lebenslänglich!
Mallwitz: Quatsch. Wie wir das einfädeln, da kommt das doch nie raus, daß du das gewesen bist. Die Konserven warn vergiftet, ‘n Unglücksfall! Lebensmittelvergiftungen solln ja öfter mal vorkommen, oder?
Hock: Nee, du – da sind unter den türkischen Knackis ja auch welche bei, die ich persönlich Klasse finde. Von den Grauen Wölfen welche oder von der MHP, unserer Schwesterpartei… Das sind Freunde von mir! Die kann ich doch nicht hopsgehen lassen.
Mallwitz: Mußt du eben dafür sorgen, daß sie am Tag X gerade auf der Krankenstation liegen… Und außerdem, Opfer müssen nun mal gebracht werden.
Hock: Also, hör mal… Du weißt, ich hab bis jetzt alles mitgemacht – aber das hier? Nee! Was zuviel ist, ist zuviel!
Mallwitz: Dein Beamtengewissen – daß ich nicht lache! Soll ich dich mal an diesen italienischen Koch erinnern, wie hieß er gleich…? Il bombardiere di Turino… Das hat dein Beamtengewissen zugelassen, dem die Flucht zu ermöglichen?
Hock: Na, sicher. Die Avanguardia Nazionale ist für mich keine kriminelle Faschistenvereinigung, wie sie immer sagen, sondern eine…
Mallwitz: Is ja gut, is ja gut! Das kannste ja mal deinen Vorgesetzten erzählen –was meinste, wie die sich freuen werden.
Hock: Erpressen willste mich also? Na, bitte. Darfste bloß nicht bei vergessen, daß ich dann auch mal auspacken könnte.
Mallwitz: Nicht doch, mein Bester! Darf ich dir mal was erzählen? Vor acht Wochen, vor knapp acht Wochen, da hat auf dem Sofa, auf dem du jetzt sitzt, ein anderer alter Freund von mir gesessen, der Meyerhoff, der mit dem Tabakwarenladen in der Oranienstraße. Der hat mir auch ‘ne Menge zu verdanken gehabt. Genau so ‘n alter Nazi wie du. Und da hab ich ihn mal ganz freundlich gebeten, was gegen einen bestimmten Türken zu unternehmen, einen von den Grauen Wölfen, denn was die hier in meiner Vaterstadt treiben, das stinkt mir genauso, als wären’s die Linken. Ob linke oder rechte Türken – alle raus! Das ist unser Ziel, und dafür kämpfen wir Klansmänner mit allen Mitteln – mit allen! Als Meyerhoff zur Polizei gehen wollte, da… Du kennst ja den kleinen Unfall, den er da hatte, brauch ich ja nicht weiterzureden.
Hock: Du warst das – nicht der Ausbrecher, dieser Niyazi?
Mallwitz: Na sicher! Und so geschickt wie im Fall Meyerhoff, so sind wir immer… Ich finde, du solltest dir das mit dem Botulin wirklich noch mal überlegen.
So wie das Gespräch bisher gelaufen war, konnte Kochale kaum daran zweifeln, daß Hock bei der Vergiftung der ausländischen Knackis mitmachen würde. Da anzunehmen war, daß die beiden nach Hocks Zustimmung und einem weiteren Klaren, den Pakt zu besiegeln, das Arbeitszimmer verlassen würden, mußte Kochale allmählich daran denken, wieder ins Versteck zurückzukehren.
Der Rückweg war insofern gefährlicher, als er jetzt orientierungslos ins Dunkel tappen mußte. Er traute sich nicht, die Taschenlampe anzuknipsen. Und wenn er dann gegen die Garagentür stieß, mußte sich das anhören wie ein Schlag auf eine Kesselpauke. Und dieses verdammte Packpapier auf dem Fußboden? Gar nicht zu reden von den leeren Farbtöpfen und den wild verstreuten Bierflaschen… Ein Horrortrip.
Doch Zentimeter um Zentimeter kam er voran. Kelm, der Staatsschutz – na, wenn das keine Informationen waren. Kochale – ein Klassemann!
Die Garagentür war schon zum Greifen nahe, da geschah es. Mit der rechten Hand kam er, nach der rettenden Tür tastend, gegen eine stromführende Leitung. 220 Volt – zuviel, um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken.
Sekunden später hatten Hock und Mallwitz ihn überwältigt.
EINER FLIPPT AUS
Seit er im Ausländerknast zu tun hatte, war die Welt für ihn noch um einige Nuancen düsterer geworden.
Mannhardt schluckte ein Kopfschmerzmittel und ergab sich, obwohl gerade ein schöner Sommermorgen heraufzog, seiner anfallartigen Totensonntagsstimmung. Seit sie diesen Niyazi verhörten, Niyazi Turan, Stunde um Stunde und immer vergeblich, geriet er selbst mehr und mehr ins Wanken. Wozu das alles? Die Frage nach dem Sinn seines Lebens, seines Berufs, seiner Ehe, seines ganzen Tuns und Lassens – diese Frage begann ihn
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