Feuer (German Edition)
als er es war.
»Möchtest du, daß wir fortreisen? Wollen wir den Trübsinn hinter uns lassen? Möchtest du, daß wir in jene Länder gehen, die keinen Herbst haben?«
»In mir ist der Herbst, und wo immer ich gehe, trage ich ihn mit mir!« – dachte sie; aber sie lächelte mit ihrem schwachen, lauschenden Lächeln. »Ich, ich werde fortreisen, ich werde verschwinden, ich werde fortgehen, weit fort, um zu sterben, Geliebter, einzig Geliebter!«
Es war ihr nicht gelungen, während dieser Rast die Traurigkeit zu besiegen, neue Hoffnung noch zu schöpfen; aber dennoch hatte ihr Schmerz sich besänftigt, jeder Stachel, jede Bitterkeit war ihm genommen.
»Wollen wir reisen?«
›Reisen, immer reisen, in der Welt umherschweifen, in die Ferne ziehen!‹ – dachte die Frau, deren Leben ein Nomadenleben war. – ›Niemals Ruhe, niemals Frieden. Noch hat sich die Angst des Laufes nicht beruhigt, und siehe da, schon ist die Frist abgelaufen. Du möchtest mich trösten, süßer Freund; und um mich zu trösten, schlägst du mir vor, wieder in die Ferne zu schweifen, da ich doch erst gestern heimkehrte in mein Haus!‹
Plötzlich waren ihre Augen wie ein sprudelnder Quell.
»Laß mich in meinem Hause noch ein kleines Weilchen! Und wenn du kannst, so bleibe. Danach wirst du frei, wirst du glücklich sein ... So viel Zeit hast du vor dir! Du bist jung. Du wirst genießen, was dir zukommt. Wer auf dich wartet, der verliert dich nicht.«
Zwei Kristallvisiere lagen über ihren Augen, die auf dem fiebrigen Antlitz in der Sonne fast unbeweglich glänzten.
»Ah, immer derselbe Schatten!« – rief Stelio schmerzlich berührt aus, mit einer Ungeduld, die zu bemeistern ihm nicht gelang. – »Aber was glaubst du? Was fürchtest du? Warum sprichst du mir nicht von dem, was dir Kummer macht? Laß uns also miteinander sprechen. Wer wartet auf mich?«
Sie zitterte vor Entsetzen bei dieser Frage, die ihr unerwartet und neu erschien, obwohl sie nur ihre letzten Worte wiederholte. Sie zitterte, sich so nahe der Gefahr zu sehen, als hätte sich plötzlich beim Gehen über dieses harmlose Gras ein Abgrund unter ihren Füßen aufgetan.
»Wer wartet auf mich?«
Und plötzlich tauchte hier an diesem fremden Ort, auf diesem schönen Rasen, an der Tagesneige, nach der Erscheinung von so viel blutigen und blutlosen Gespenstern, eine Gestalt voll lebendigen Willens und voller Verlangen auf, die sie mit starrem Schrecken erfüllte, plötzlich erhob sich hier über all den Gestalten der Vergangenheit eine Gestalt der Zukunft; und das Leben hatte wieder seine Erscheinungsform verändert, und die Wohltat der Rast war schon dahin, und der köstliche Rasen unter ihren Füßen hatte keinen Reiz mehr.
»Ja, wir wollen sprechen, wenn Sie es wünschen ... Nicht jetzt ...«
Die Kehle war ihr zugeschnürt, daß ihr die Stimme fast versagte, und das Gesicht hielt sie ein wenig in die Höhe gerichtet, damit die Wimpern die Tränen zurückhalten könnten.
»Sei nicht traurig! Sei nicht traurig!« – bat der junge Mann, dessen Seele an diesen Wimpern hing, wie die Tränen, die nicht flossen. – »Mein Herz liegt in deiner Hand. Ich werde dich nicht lassen. Quäle dich nicht! Ich gehöre dir.«
Auch für ihn war Donatella hier, hoch gewachsen, mit den geschwungenen Hüften, mit der geschmeidigen und kräftigen Gestalt einer Siegesgöttin ohne Flügel, gepanzert in ihre Jungfräulichkeit, lockend und feindlich zugleich, bereit zu kämpfen und sich hinzugeben. Aber seine Seele hing an den Wimpern der anderen, wie diese Tränen, die die Augensterne verschleierten, in denen er die Unermeßlichkeit der Liebe gesehen hatte.
»Foscarina!«
Endlich begannen die heißen Tropfen zu fließen; aber sie ließ sie nicht die Wangen hinunterlaufen. Mit einer jener Bewegungen, die ihrem Schmerze zu entspringen pflegten, mit der Anmut eines gefangenen Vogels, der unerwartet seine Schwingen ausbreitet und sich befreit, hielt sie sie auf, badete ihre Finger darin und benetzte mit der Feuchtigkeit ihre Schläfen, ohne sie zu trocknen. Und während sie so ihre Tränen bei sich behielt, versuchte sie zu lächeln.
»Verzeihen Sie mir, Stelio, wenn ich so schwach bin.«
Eine unendliche Liebe erfaßte ihn da zu den zarten Linien, die von den Augenwinkeln sich zu den benetzten Schläfen zogen und zu den kleinen dunklen Adern, die die Lider den Veilchen ähnlich machten, zu den weichen Wellenlinien der Wangen, dem abgezehrten Kinn, und zu allem, was von dem Herbstweh
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