Feuer (German Edition)
berührt zu sein schien, zu dem ganzen nachttiefen Schatten auf dem leidenschaftlichen Gesicht.
»Ach, die lieben Hände, schön wie Sofias Hände! Laß sie mich küssen, die noch tränenfeuchten Finger!«
Und er zog sie in seiner Zärtlichkeit über die Wiese zu einem goldgrünen Sonnenstreifen. Und seinen Arm leicht unter ihren legend, küßte er ihr einzeln die Fingerspitzen, die zarter waren als die noch nicht erschlossenen Tuberosen. Ein Schauer durchrieselte sie. Und er fühlte die Schauer bei jeder Berührung seiner Lippen.
»Sie schmecken salzig.«
»Geh, Stelio. Man sieht uns.«
»Es ist niemand da.«
»Dort unten in den Treibhäusern.«
»Horch! Man hört keinen Laut.«
»Seltsames Schweigen. Die Ekstase der Natur!«
»Man hört ein Blatt zur Erde fallen.«
»Und der Führer?«
»Er ist einem anderen Besucher entgegengegangen.«
»Wer kommt hierher?«
»Ich weiß, daß kürzlich Richard Wagner mit Daniela von Bülow hier gewesen ist.«
»Ah, die Enkelin der Gräfin d'Agoult, Daniel Sterne.«
»Ob das große kranke Herz mit ihr von jenen Geistern sprach?«
»Wer weiß!«
»Vielleicht nur mit sich selbst.«
»Vielleicht.«
»Sieh die Glasscheiben der Gewächshäuser, wie sie glänzen. Sie schillern in den Farben des Regenbogens. Der Regen, die Sonne und das Alter haben sie so getönt. Scheint es nicht, als spiegelte sich fernes Abenddämmern in ihnen? Bist du vielleicht einmal auf der Fondamenta Pesaro stehen geblieben um die schöne Pentaphore der Evangelisten zu betrachten? Hättest du aufgeblickt, würdest du die von der Unbill der Witterung wunderbar gemalten Glasfenster des Palastes gesehen haben.«
»Du kennst alle Geheimnisse Venedigs.«
»Alle noch nicht.«
»Wie warm es hier ist. Sieh nur diese großen Zederbäume. Dort oben hängt ein Schwalbennest am Stamm.«
»In diesem Jahr sind die Schwalben spät fortgezogen.«
»Wirst du mich wirklich im Frühling auf die Euganeischen Hügel führen?«
»Ja, Fosca, ich möchte.«
»Wie lange dauert's bis zum Frühling!«
»Das Leben kann noch schön sein.«
»Man träumt.«
»Orpheus mit seiner Leier, ganz mit Moos bekleidet.«
»Ah, welche Allee der Träume! Niemand setzt seinen Fuß mehr hierher. Gras, Gras ... Keine menschliche Spur.«
»Deukalion mit den Steinen, Ganymed mit dem Adler, Diana mit dem Hirsch, die ganze Mythologie.«
»Wieviele Statuen! Aber wenigstens sind diese nicht im Exil. Die alten Weißbuchen umhegen sie noch.«
»Hier lustwandelte Marie Luise von Parma zwischen dem König und dem Günstling. Von Zeit zu Zeit blieb sie stehen, um dem Geräusch der Scheren zuzuhören, die die Weißbuchen bogenförmig beschnitten. Sie ließ ihr mit Jasmin parfümiertes Taschentuch fallen, und Don Manuel Godoi hob es mit noch jugendlicher Behendigkeit vom Boden auf, den Schmerz verbeißend, den das Bücken seiner Hüfte verursachte: eine Erinnerung an die in den Straßen von Aranjuez erlittenen Qualen, als er ein Spielball in den Händen des Pöbels war. Da die Sonne milde und der Tabak in der Emaildose ausgezeichnet war, sagte lächelnd der König ohne Krone: ›Gewiß geht's unserem teuren Bonaparte auf St. Helena weniger gut.‹ Aber in dem Herzen der Königin erwachte der Dämon der Macht, des Kampfes und der Leidenschaft ... Sieh diese roten Rosen!«
»Sie glühen. Sie sehen aus, als berge ihre Blumenkrone eine brennende Kohle. Sie glühen wahrhaftig.«
»Die Sonne wird purpurn. Das ist die Zeit für die Segelboote auf dem Chioggia auf der Lagune.«
»Pflücke mir eine Rose.«
»Hier ist eine.«
»Oh, sie entblättert!«
»Hier eine andere.«
»Sie entblättert.«
»Sie sind alle dem Tode nahe. Diese vielleicht nicht.«
»Pflücke sie nicht.«
»Sieh, sie werden immer röter. Der Sammet des Bonifazio ... Erinnerst du dich? Dieselbe Kraft.«
»Die innere Blüte des Feuers.«
»Welches Gedächtnis!«
»Hörst du? Die Türen der Gewächshäuser werden geschlossen.«
»Es ist Zeit, zum Ausgang zu gehen.«
»Es fängt schon an, kühl zu werden.«
»Frierst du?«
»Nein, noch nicht.«
»Du hast deinen Mantel im Wagen gelassen?«
»Ja.«
»Wir wollen in Dolo auf den Zug warten und mit der Bahn nach Venedig zurückkehren.«
»Ja.«
»Wir haben noch Zeit.«
»Was ist dies? Sieh nur.«
»Ich weiß nicht...«
»Welch strenger Geruch! Ein kleiner Hain von Buchsbaum und Weißbuchen...«
»Ah, es ist das Labyrinth.«
Ein rostiges Eisengitter zwischen zwei Pfeilern, die zwei auf Delphinen reitende
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