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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Würmer.
    »Laß uns gehen! Laß uns hinausgehen!« – bat die Foscarina, die durch die Fensterscheiben hinausgeblickt hatte in den Park, wo die rötlich-goldenen Streifen der schräg einfallenden Sonnenstrahlen mit den blaugrünen Schattenzonen abwechselten. – »Hier kann man nicht atmen.«
    Und wirklich fehlte hier die Luft, wie in einer Krypta.
    »Hier geht es in das Zimmer Maximilians von Österreich« – fuhr die eintönige Stimme fort – »der sein Bett im Gemach der Amalie Beauharnais aufgeschlagen hatte.«
    Sie durchschritten das von rotem Glanz erfüllte Zimmer. Die Sonne leuchtete auf ein karmesinrotes Sofa, erweckte die Regenbogenfarben in den Kristallprismen eines zierlich-schlanken Kronleuchters, der von der Deckenwölbung herunterhing, entzündete die senkrechten roten Streifen der Tapete. Stelio blieb auf der Schwelle stehen, wandte sich rückwärts und beschwor in diesen blutroten Schein die nachdenkliche Gestalt des jungen Erzherzogs herauf mit den blauen Augen, die schöne Blüte Habsburgs, die an einem Sommermorgen auf barbarischer Erde fiel.
    »Laß uns gehen!« – bat die Foscarina wieder, als sie ihn noch verweilen sah.
    Sie entfloh durch den ungeheueren von Tiepolo gemalten Saal, während hinter ihr die korinthische Bronze des Gitters beim Zuschlagen einen hellen Ton gab, wie ein Klingen, das sich durch die Wölbungen in langen Schwingungen fortpflanzte. Entsetzt floh sie, fast als wollte alles über ihr zusammenstürzen und das Licht verlöschen, und sie fürchtete, sich in der Finsternis allein zu finden mit den Gespenstern des Unglücks und des Todes. In der von dieser Flucht bewegten Luft, zwischen den von Reliquien und Larven beladenen Wänden hinter der berühmten Schauspielerin herschreitend, die auf allen Bühnen der Welt die Raserei, die menschlichen Leidenschaften, die verzweifelten Anstrengungen des Willens und des Verlangens, den gewaltigen Kontrast des grausamen Schicksals geheuchelt hatte, verlor Stelio Effrena die Wärme seines Blutes, als schritte er durch einen eisigen Wind. Er fühlte sein Herz erstarren, seinen Mut ermatten, sein Lebenssinn büßte jede Kraft ein, alle Bande, die ihn mit Menschen und mit Dingen verknüpften, lockerten sich, die herrlichen Illusionen, die er seiner Seele geschenkt, um sie anzuspornen, über sich selbst und sein Schicksal sich emporzuschwingen, schwankten und zerflossen.
    »Leben wir noch?« – sagte er, als sie im Freien waren, im Park, fern von der Moderluft.
    Und er nahm die Hände der Frau, schüttelte sie ein wenig, blickte ihr tief in die Augen, versuchte zu lächeln: dann zog er sie in die Sonne auf das Gras der Wiese.
    »Welch köstliche Milde in der Luft! Fühlst du's? Wie wundervoll das Gras!«
    Er schloß die Augen halb, um die Sonnenstrahlen auf den Lidern zu empfangen, sofort wieder von der Wollust, zu leben, ergriffen. Sie tat es ihm nach, angesteckt von der Lust des Freundes; und durch die Wimpern blickte sie auf seinen frischen und sinnlichen Mund. So verblieben sie einige Augenblicke unter der liebkosenden Berührung der Sonne, die Füße im Gras, Hand in Hand, in dem Schweigen das Klopfen ihrer Adern hörend, wie die Bäche, die schneller fließen, wenn das Eis im Frühling schmilzt. Sie gedachte wieder der Euganeischen Hügel, der Dörfer, die rosig schimmerten wie die versteinten Muscheln, der ersten Regentropfen auf den jungen Blättern, des Petrarcabrunnens, all der anmutigen Dinge.
    »Noch könnte das Leben süß sein!« – seufzte sie mit einer Stimme, die das Wunder der neukeimenden Hoffnung verkörperte.
    Das Herz des Geliebten glich einer Frucht, die plötzlich ein Sonnenstrahl durch ein Wunder reift und ausbreitet. Herzensgüte und wonnige Lust erfüllten ihm Seele und Leib. Wieder genoß er den Augenblick wie einer, der im Begriff ist Abschied zu nehmen. Die Liebe siegte über das Schicksal.
    »Liebst du mich? Sprich!«
    Die Frau antwortete nicht, aber sie öffnete die Augen weit, und in den Kreisen ihrer Iris lag die Größe des Universums. Niemals kam unendliche Liebe in einem irdischen Wesen zu mächtigerem Ausdruck.
    »Süße, süß ist das Leben mit dir, für dich, gestern wie heute!«
    Er schien trunken von ihr, von der Sonne, von dem Gras, von dem göttlichen Himmel, als seien es Dinge, die er nie gesehen, nie besessen. Der Gefangene, der am dämmernden Morgen dem erstickenden Gefängnis entweicht, der Genesende, der das Meer erblickt, nachdem er dem Tod ins Angesicht geschaut, sind nicht trunkener,

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