Feuer (German Edition)
aus den Händen des armen Seguso anbieten darf?«
»Ein Seguso?« rief Stelio sich lebhaft zu dem kleinen Männchen herunterbeugend, um ihm voll ins Gesicht zu sehen. »Aus der großen Familie der Glasbläser in direkter Abstammung? Aus dem guten Geschlecht?«
»Zu dienen, gnädiger Herr.«
»Ein Fürst also.«
»Ja, ein als Fürst verkappter Harlekin.«
»Ihr kennt alle die Geheimnisse, nicht wahr?«
Der Muranese machte eine geheimnisvolle Bewegung, die die von den Vätern ererbte geheime Weisheit heraufbeschwor, deren letzter Erbe er zu sein behauptete. Die anderen Glasbläser lächelten neben ihren Schirmwänden, sie hatten die Arbeit unterbrochen, während ihre Gläser an den Enden der Eisenröhren die Farbe änderten.
»Also, meine Dame, erweisen Sie mir die Ehre, es anzunehmen?«
Er schien aus einem Tafelbilde des Bartolomeo Vivarini herausgetreten zu sein, ein Bruder jener Gläubigen, die auf dem Bilde in Santa Maria Formosa unter dem Mantel der Madonna knien: gebückt, hager, dürr, wie durch das Feuer geläutert, zerbrechlich, als deckte seine Haut ein gläsernes Knochengerüst, mit spärlichen grauen Haarsträhnen, mit einer graden, scharf gezeichneten Nase, einem spitzen Kinn, zwei überaus schmalen Lippen, von deren Winkeln Falten ausgingen, die Scharfsinn und Aufmerksamkeit dort eingegraben, mit geschmeidigen, beweglichen, vorsichtigen Händen, die Narben von Brandwunden röteten, Formen, in denen Geschicklichkeit und Genauigkeit zum Ausdruck kamen, die die Bewegungen gewohnt waren, die man braucht, schöne Linien in die empfindliche Materie zu zeichnen, wahre Werkzeuge der anmutigen Kunst, die sich in dem Erben durch die ununterbrochene Ausübung so vieler arbeitsamer Generationen bis zur Vollkommenheit entwickelt hatten.
»Ja, Ihr seid ein Seguso« – sagte Stelio Effrena, der sie betrachtete. – »Der Beweis für Eure vornehme Abstammung sind Eure Hände.«
Lächelnd besah sie sich der Meister, Rücken und Fläche.
»Vermacht sie in Eurem Testament dem Museum von Murano samt Eurem Blasrohr.«
»Ja, damit man sie einkocht, wie das Herz von Canova und die Paduanischen Eingeweide.«
Das freimütige Lachen der Arbeiter ertönte rings um den Herd, und die werdenden Kelche schwankten an den Spitzen der eisernen Nähren, rötlich und bläulich schillernd, wie die Blütendolden der Hortensie.
»Aber der entscheidende Beweis soll Euer Glas sein. Laßt uns sehen.«
Die Foscarina hatte nicht gesprochen, sie fürchtete, ihre Stimme könnte ihre Erregung verraten; aber ihre ganze liebliche Anmut durchdrang plötzlich ihre Schwermut, sie hatte die dargebotene Gabe angenommen und den Geber belohnt.
»Laßt uns sehen, Seguso.«
Der kleine Mann kratzte sich die schweißtriefende Schläfe mit einer Bewegung der Unschlüssigkeit; er witterte den Kenner.
»Vielleicht errate ich« – fügte Stelio Effrena hinzu, sich dem Kühlraume nähernd und einen prüfenden Blick auf die dort vereinigten Gefäße werfend. – »Ob es dieser ist ...«
Durch seine Gegenwart hatte er hier mitten in die gewohnte Arbeit ungewohntes Leben gebracht, den fröhlichen Eifer des Spiels, das er unablässig in seinem Leben verfolgte. Alle diese einfachen Gemüter nahmen jetzt, nachdem sie gelacht hatten, leidenschaftlichen Anteil an der Probe; sie folgten der Wahl mit derselben gespannten Neugier, mit der man dem Ausgang einer Wette entgegensieht; sie erwogen den Scharfsinn des Meisters im Verhältnis zu dem des Richters. Und der junge Unbekannte, der sich in der Werkstatt wie in einem vertrauten Ort befand, sich den Menschen und Dingen mit so schneller und unwillkürlicher Sympathie anpassend, war für sie schon kein Fremder mehr.
»Ob es dieser ist ...«
Die Foscarina fühlte sich durch das Spiel angezogen und fast gezwungen, sich daran zu beteiligen. Jede Bitterkeit, Zeder Groll schwand sofort vor dem Glück ihres Freundes. Auch hier hatte er, mühelos, die flüchtigen Augenblicke mit Schönheit und Leidenschaft entzündet, und das Feuer seiner Lebenskraft durch Berührung seinen Nächsten mitgeteilt, er hatte die Geister in eine höhere Sphäre erhoben, in diesen heruntergekommenen Arbeitern den alten Stolz auf ihre Kunst wieder erweckt. Die Harmonie einer reinen Linie war in diesen Augenblicken der Mittelpunkt ihrer Welt geworden. Und es zog den Beleber zu den Kelchen, als hinge von der Wahl das Glück des kleinen unschlüssigen Meisters ab.
»Ja, es ist wahr, du allein verstehst zu leben,« sagte sie zu ihm, ihn
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