Feuer (German Edition)
zärtlich anblickend. »Alles sollst und mußt du haben. Ich will zufrieden sein, wenn ich dich leben, dich genießen sehe. Mache mit mir, was du willst!«
Sie lächelte, da sie sich selbst vernichtete. Er gehorte ihr, wie etwas, das man in der geschlossenen Hand hält, wie ein Ring an einem Finger, wie ein Handschuh, wie ein Kleid, wie ein Wort, das man sagen oder verschweigen, ein Wein, den man trinken oder verschütten kann.
»Nun, Seguso?« – rief Stelle Effrena, durch das lange Zaudern ungeduldig gemacht.
Der Mann sah ihm in die Augen, dann, nachdem er Mut gefaßt, vertraute er seinem angeborenen Instinkt. Fünf Gefäße unter den vielen waren aus seinen Händen hervorgegangen: sie unterschieden sich von den anderen, als gehörten sie einer besonderen Art an. Aber welches von den fünfen war das schönste?
Die Arbeiter wandten ihm ihre Gesichter zu, während sie die an den Röhren befestigten Kelche der Glut aussetzten, damit sie nicht erkalteten. Und die Flammen, hell wie jene, die das prasselnde Laub des Lorbeerbaumes gibt, flackerten jenseits der Schutzwände, und es sah aus, als hielten sie die Männer durch ihre Werkzeuge in Fesseln.
»Ja, ja!« – rief Stelio Effrena, als er den Meister mit unendlicher Vorsicht das erwählte Gefäß herausnehmen sah. – »Das Blut verleugnet sich nicht. Die Gabe ist der Dogaressa Foscarina würdig, Seguso.«
Den Fuß des Kelches zwischen Zeigefinger und Daumen haltend, lächelte der Muranese zu der Frau auf, hoch beglückt durch das warme Lob. Der Ausdruck von Klugkeit und List in seinem Gesicht rief das Wappen von Murano ins Gedächtnis: die goldene Füchsin, die auf dem Schweif des Hahnes läuft. Die durch die starken Wärmeausstrahlungen geröteten Lider zuckten über seinen auf das zerbrechliche Werk gerichteten Augen, das noch einmal in seiner Hand glitzerte, bevor er es fortgab. Und in seinen fast liebkosenden Fingern, in seiner ganzen Haltung offenbarte sich die ererbte Fähigkeit, die schwer zu erreichende Schönheit der einfachen Linien und der zartesten Färbung zu empfinden. Wie eine jener wunderbaren Blüten, die aus den dürren und gewundenen Sträuchern hervorbrechen, so wirkte das Kelchglas tn der Hand des gebückten Mannes, der es geschaffen hatte.
Schon in der Tat, und wie die geheimnisvollen Dinge in der Natur in seiner Konkavität das Leben des menschlichen Atems tragend, in seiner Durchsichtigkeit mit Wasser und Himmel welteifernd, der violette Rand gleich den Quallen, die auf dem Meere treiben, einfach, rein, ohne anderen Schmuck, als diesen bläulichen Saum, ohne andere Glieder, als den Fuß, den Stengel und den Rand. Und warum es so schön war, hätte niemand sagen können, nicht mit einem, nicht mit tausend Worten. Und sein Wert war gleich Null oder unberechenbar, je nach dem Auge, das es betrachtete.
»Es wird zerbrechen« – sagte Stelio.
Die Foscarina hatte das Geschenk mitnehmen wollen, ohne es einzuschlagen, wie man eine Blume trägt.
»Ich werde mir den Handschuh ausziehen.«
Sie stellte den Kelch auf den Rand des Brunnens, der sich ln der Mitte des Kirchplatzes befand. Der Rost auf der Zugwinde, die verwitterte Fassade der Basilika mit ihren byzantinischen Spuren, der rote Backstein des Glockenturmes, das Gelb der Strohschober jenseits der Mauer und der Bronzeton der hohen Lorbeerbäume und die Gesichter der Frauen, die auf den Hausschwellen die Glasperlen aufreihten, und die Gräser und die Wolken, und alle Erscheinungen ringsumher variierten die Empfänglichkeit des leuchtenden Glases. In seiner Farbe verschmolzen all die anderen Farben. Und es schien in seiner duftigen Zartheit von einem vielfältigen Leben beseelt, wie die Iris eines Auges, in der sich das Universum spiegelt.
»Stellen Sie sich vor, welche Summe von Erfahrung diesen schönen Gegenstand hervorgebracht hat!« – sagte Stelio betroffen. – »Alle die Generationen der Seguso, durch Jahrhunderte hindurch, haben mit ihrem Atem und mit ihrem Handgeschick zu der Entstehung dieses Werkes beigetragen, in dem glücklichen Augenblick, in dem dieser kleine Glasbläser unbewußt dem entlegenen Impuls zu folgen und ihn sorgfältig auf die Materie zu übertragen vermochte. Das Feuer war gleichmäßig, die Mischung war reich, die Luft war temperiert; alles war dem Verlaufe günstig. Das Wunder geschah.«
Die Foscarina ergriff mit ihrer unbehandschuhten Hand den Stiel des Kelchglases.
»Wenn es zerbräche, müßte man ihm ein Mausoleum errichten, wie Nero es den
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