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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Manen seines zerbrochenen Bechers errichtete. Die Liebe Zu wesenlosen Dingen! Ein anderer Despot, Xerxes, hat es uns zuvorgetan, liebe Freundin, und einen schönen Baum mit Geschmeide geziert.«
    Auf ihren Lippen, dort wo der Saum des Schleiers lag, schwebte ein Lächeln, kaum sichtbar, aber unablässig; und er kannte dieses Lächeln, denn er hatte darunter gelitten an dem Ufer der Brenta, auf dem mit unheimlichen Statuen bevölkerten Landstrich.
    »Gärten, Gärten, überall Gärten! Einst waren es die schönsten der Welt, irdische Paradiese, wie sie Andreas Calmo nennt, der Poesie, der Musik und der Liebe geweiht. Vielleicht hörte einer jener alten Lorbeerbäume Aldo Manuzio mit dem Navagero griechisch sprechen oder Madonna Gasparina auf den Spuren des Grafen von Collalto seufzen ...«
    Sie gingen durch eine Straße, die von den Mauern der verödeten Gärten eingeschlossen wurde. Auf der Höhe der Mauern in den Fugen der roten Backsteine zitterten seltsame Gräser, lang und starr, wie Finger. Die Spitzen der bronzefarbenen Lorbeerbäume waren von der untergehenden Sonne vergoldet. Die Luft glänzte von einem dichten Goldstaub, wie der Goldglimmer der Glasperlen.
    »Süßes und furchtbares Schicksal, das der Gaspara Stampa! Kennen Sie ihre Verse? Ja, ich sah sie eines Tages auf Ihrem Tisch. Eine Mischung von Frost und Glut. Zuweilen tönt durch den petrarcheskischen Stil des Kardinal Bembo ein schöner Schrei ihrer tödlichen Leidenschaft. Ich weiß einen herrlichen Vers von ihr:
Inbrünstig leben und das Leid nicht fühlen!«
     
    »Erinnern Sie sich, Stelio« – sagte die Foscarina mit ihrem unversieglichen Lächeln, das ihr das Aussehen einer Somnambulen verlieh, »erinnern Sie sich des Sonetts, das anfängt:
Ich weiß, o Freund, daß ich in mir erstorben
Und sehe nun, daß auch in euch ich tot bin ...?«
     
    »Ich entsinne mich nicht, Fosca.«
    »Erinnern Sie sich Ihrer schönen Phantasie von der entschlafenen Sommergöttin? Die Sommergöttin lag ausgestreckt in der Trauerbarke, in Gold gekleidet wie eine Dogaressa, und der Zug geleitete sie nach der Insel Murano, wo ein Meister des Feuers sie in einen opalschillernden Glasschrein schließen sollte, damit sie, in die Lagune versenkt, wenigstens dem Spiel der treibenden Algen zusehen könnte ... Entsinnen Sie sich?«
    »Es war an einem Septemberabend.«
    »Der letzte September, der Abend der Allegorie. Eine wunderbare Beleuchtung auf dem Wasser ... Sie waren wie berauscht: Sie sprachen, sprachen ... Wieviel Sie sagten! Sie kamen aus der Einsamkeit, Ihr Herz war voll, überströmend. Einen Strom von Poesie ergossen Sie über Ihre Freundin. Eine von Granatäpfeln beladene Barke glitt vorüber ... Ich trug den Namen Perdita ... Entsinnen Sie sich?«
    Sie selbst empfand beim Gehen die Leichtheit ihres Schrittes und in ihrem Innern etwas Dahinschwindendes, als wandle sich ihr Körper in eine leere Hülle. Das Gefühl ihrer physischen Person schien von diesem Glas abzuhängen, das sie in der Hand trug, schien nur noch vorhanden in der Unruhe, die ihr die Zerbrechlichkeit des Gegenstandes verursachte und die Furcht, ihn zur Erde fallen zu lassen, während ihre unbekleidete Hand allmählich kalt wurde, und die Adern die Farbe des bläulichen Streifens annahmen, der um den Rand des Kelches lief.
    »Ich hieß damals noch Perdita ... Erinnern Sie sich, Stelio, eines anderen Sonettes der Gaspara, das anfängt:
Ich wollte nur, daß Amor selbst mir sagte
Wie ich ihm folgen soll ...?
     
    Und des Madrigals mit den Anfangsworten:
Wenn meinem Herrn du zu gefallen glaubst ...?«

 
    »Ich wußte nicht, liebe Freundin, daß Sie so vertraut mit der unglückseligen Annasilla sind.«
    »Das will ich Ihnen erklären ... Ich war kaum vierzehn Jahre alt, als ich in einer alten romantischen Tragödie auftrat, die den Titel Gaspara Stampa führte. Ich spielte die Rolle der Heldin. Es war in Dolo, das wir neulich auf dem Wege nach Strà passierten; wir spielten in einem kleinen armseligen Theater, einer Art Baracke ... Es war ein Jahr, bevor meine Mutter starb ... Ich erinnere mich genau ... Ich erinnere mich an gewisse Dinge, als wäre es gestern gewesen. Und zwanzig Jahre liegen dazwischen! Ich erinnere mich an den Klang, den meine damals noch schwache Stimme hatte, als ich sie bei den großen Tiraden forcierte, weil irgend jemand zwischen den Kulissen mir zuflüsterte, ich sollte laut sprechen, immer lauter ... Gaspara verzweifelte, verging, raste in Liebessehnsucht nach ihrem

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