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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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erstickter Stimme, als spräche er mehr zu sich selbst als zu der Freundin, und nicht mehr fähig, die Seelenangst zu besiegen, die ihm die Gewißheit seiner gegenwärtigen Liebe verursachte und das Bewußtsein seines Verlangens, das unerbittlich wie das Schicksal war. – »Vielleicht ist, was Sie glauben,Wahrheit. Vielleicht ist es nur ein Gespinst Ihrer Phantasie. Eins weiß ich heute sicher: daß ich Sie liebe und den Adel Ihrer Seele voll und ganz erkenne. Und noch eins weiß ich: daß ich ein Werk vollbringen und ein Leben leben muß, zu dem die Natur mich bestimmt hat. Auch Sie müssen sich entsinnen! An jenem Septemberabend sprach ich Ihnen lange von meinem Leben und von dem Genius, der es seiner Bestimmung zuführt. Sie wissen, daß ich auf nichts verzichten kann.«
    Er zitterte wie jemand, der eine scharfe Waffe in den Händen hält, und der, gezwungen sie zu bewegen, es nicht vermeiden kann den Unbewaffneten zu verletzen.
    »Auf nichts. Und vor allem nicht auf Ihre Liebe, die meine Kraft und meine Hoffnung an jedem Tag von neuem stärkt. Aber versprachen Sie mir nicht mehr als Liebe? Vermögen Sie für mich nicht Dinge zu vollbringen, die Liebe nicht vermag? Wollen Sie nicht für mein Leben und mein Werk der immer belebende Odem sein?«
    Sie hörte ihm unbeweglich zu, ohne mit der Wimper zu zucken. Nicht anders als eine Kranke, deren Bewegungsfreiheit aufgehoben, die einem entsetzenvollen Schauspiel beiwohnt, wie ein Geist in einer Bildsäule.
    »Es ist wahr« – fuhr er nach einer qualvollen Pause fort, all seinen Mut zusammenfassend, sein Mitleid bezwingend, wohl fühlend, daß von der Aufrichtigkeit dieser Minute das Schicksal der freien Vereinigung abhinge, bei der er nichts verlieren, sondern gewinnen wollte – »es ist wahr: als ich Sie an jenem Abend in der Menge die Treppe hinunterkommen sah, zusammen mit ihr, die gesungen hatte, da glaubte ich, daß es ein geheimer Gedanke war, der Sie leitete, mir nicht allein entgegenzutreten ...«
    Sie fühlte, wie ein eisiger Schauder von ihren Haarwurzeln auslief, und ihre Augen sich verschleierten, obwohl sie trocken blieben. Ihre Finger umspannten den Stiel des Kelchglases, und die Farben des Himmels und der Wasser färbten das Glas, das in der schmerzenden Hand schwankte.
    »Ich glaubte, daß Sie selbst sie erwählt hätten ... Sie sahen aus wie eine Wissende und Voraussehende ... Es verwirrte mich.«
    Sie fühlte in dem furchtbaren Krampf, wie wohl ihr die Lüge getan hätte. Sie wünschte, daß er lügen oder schweigen möchte. Sie maß mit den Augen den Raum, der sie von dem Kanal trennte, von dem alles verschlingenden, ruhebringenden Wasser.
    »Es war in ihr etwas Feindliches gegen mich ... Sie blieb für mich dunkel, undurchdringlich ... Entsinnen Sie sich, in welcher Art sie verschwand? Das Bild verblaßte; es blieb die Sehnsucht nach dem Gesang. Sie, die sie mir zuführten, haben auch mehr als einmal ihr Bild in mir wieder neubelebt. Sie sahen ihren Schatten, wo sie nicht war.«
    Sie sah den Tod. Kein anderer Stachel war ihr so tief ins Herz gedrungen, hatte sie grausamer verwundet. «Ich selbst, ich selbst!« – wiederholte sie. Wieder hörte sie den Schrei ihres Todesurteils: ›Sie erwartet dich!‹ Aber von Augenblick zu Augenblick fühlte sie, wie ihre Knie sich lösten und ihr erschöpfter Leib der wilden Lust nachzugeben im Begriffe stand, die sie zum Wasser trieb. Aber ein lichter Punkt blieb in ihr, der sie zu der Überlegung befähigte, daß dies nicht der Ort noch die Zeit sei. Die von der Ebbe bloßgelegten Sandbänke sah man jetzt schwärzlich durch die Lagune schimmern. Plötzlich beruhigte sich der innere Aufruhr durch eine seltsame Erscheinung. Sie glaubte sich nicht mehr lebend. Sie staunte, das Glas in ihrer Hand leuchten zu sehen. Sie verlor das Bewußtsein des Körperlichen. Alles Geschehene war nur in der Einbildung bestehend. Sie hieß Perdita: die tote Sommergöttin ruhte auf dem Grunde der Lagune. Worte blieben Worte.
    »Könnte ich sie lieben?«
    Noch ein Hauch, und Dunkelheit umgab sie. Wie das Flämmchen einer Kerze sich bei dem Windstoß biegt und sich von dem Docht loszulösen scheint, aber dennoch durch einen seinen bläulichen Rand mit ihm verbunden bleibt, gleichsam durch einen verglimmenden Funken, der, sobald der Wind aufhört,sich wieder entzünden und aufflackern wird, so war der Verstand der Bejammernswerten im Begriff zu verlöschen. Der Hauch des Wahnsinns streifte sie. Das Entsetzen entfärbte und verzerrte

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