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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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ihr Gesicht.
    Er blickte sie nicht an, sondern heftete seine Augen auf die Steine.
    »Wenn ich ihr wieder begegnete, könnte ich wünschen, daß ihr Geschick sich mir zuwende?«
    Er sah sie wieder, die jugendliche Erscheinung mit den geschwungenen und kraftvollen Lenden aus dem klingenden Wald auftauchen in der Wechselbewegung der Geigenbogen, die den Ton aus der in ihr verborgenen Musik hervorzuziehen schienen.
    »Vielleicht.«
    Er sah wieder dieses verschlossene, fast harte Gesicht von einem geheimen Gedanken erfüllt, und das Runzeln der Stirn, das ihr etwas Feindliches gab.
    »Aber wozu sollte das nützen? Und was bedeuten alle Wechselfälle und alle Schicksale des Lebens neben dem Vertrauen, das uns miteinander verbindet? Könnten wir je den kleinlichen Liebesleuten gleichen, die ihre Tage damit verbringen, sich zu veruneinen, zu weinen und einander zu verwünschen?«
    Sie preßte die Zähne aufeinander. Der wilde Instinkt, sich zu verteidigen und zu verletzen wie in einem verzweifelten Kampfe, übermannte sie. Über die Unschlüssigkett ihres Gedankens blitzte ein mörderischer Wille auf.
    »Nein, du sollst sie nicht haben!« – Und die Grausamkeit des Herrn, dem sie diente, erschien ihr ungeheuerlich. Es schien ihr, als blute sie unter den wohlgezielten und wiederholten Schlägen, wie jener Mann auf der weißen Straße in der Stadt der Bergarbeiter. Die Schreckensszene erstand wieder vor ihren Augen: der Mann, der, von einem Schlag mit dem Stock zu Boden gestürzt, wieder aufstand und versuchte, sich auf den Gegner zu werfen, und der Knüttel, der ihn von neuem traf, die Hiebe einer nach dem anderen von einer sicheren und festen Hand versetzt, das dumpfe Geräusch auf dem Menschenkopf, der Widerspenstige, der wieder aufstand, die Zähigkeit des Lebens, das Fleisch des Gesichts, das zu einem roten Brei verwandelt war. Die Bilder dieser grauenvollen Erinnerung vermischten sich in der inneren Zusammenhanglosigkeit der Gedanken mit der qualvollen Wirklichkeit. Sie schnellte in die Höhe, entsetzt von der bestialischen Kraft, die durch ihre Adern strömte. Das Glas zerbrach in ihrer zuckenden Hand, verwundete sie, fiel in Scherben nieder zu ihren Füßen.
    Er fuhr zusammen, er, den das regungslose Schweigen der Frau getäuscht hatte. Er blickte auf sie und erkannte, was in ihr vorging. Und wieder sah er, wie an jenem Abend in dem Zimmer, wo die Holzscheite knisterten, den Wahnsinn aus diesem entstellten Gesicht leuchten. Bekümmert stammelte er einige Worte; aber auf dem Grunde seines Schreckens wallte die Ungeduld auf.
    »Ah« – sagte die Unglückliche, ihren Schauder überwindend, mit einer Bitterkeit, die ihr den Mund verzog – »wie stark ich bin! Ein anderes Mal müssen Sie schneller zustoßen, da ich so wenig widerstandsfähig bin, mein Freund.«
    Sie gewahrte, daß das Blut aus ihren Fingern tropfte, und umwand sie mit dem Taschentuch, das sich rot färbte. Sie blickte auf die Glasscherben, die auf der Erde zerstreut glänzten.
    »Das Kelchglas ist zerbrochen! Sie haben es zu sehr gelobt. Wollen wir ihm hier ein Mausoleum errichten?«
    Sie sprach erbittert, fast höhnisch, die Lippen von einem herben Lachen verzogen, das lautlos blieb. Er schwieg, enttäuscht und voller Groll, die Schönheit dieses vollkommenen Gefäßes gewaltsam zerstört zu sehen.
    »Laß uns Nero nachahmen, wie wir schon Xerxes nachgeahmt haben!«
    Schärfer als ihr Freund empfand sie den gellenden Mißklang ihres Sarkasmus, den falschen Ton ihrer Stimme, die Bosheit ihres Lachens, das wie ein Muskelkrampf war. Aber es gelang ihr nicht, ihre Seele wieder einzufangen, und sie sah sie ihrem Willen entschlüpfen, unwiederbringlich, wie auf dem Schiff die Matrosen, denen die Kurbel aus der Hand entglitten ist, untätig vor der Winde stehen bleiben, die mit erschreckender Geschwindigkeit sich rückwärts dreht, das Ankertau oder die Ketten lösend. Sie empfand ein zwingendes, unwiderstehliches Bedürfnis, zu höhnen, zu zerstören, mit Füßen zu treten, als hätte ein boshafter Dämon von ihr Besitz genommen. Jede Spur von Zärtlichkeit und Güte war verschwunden, und jede Hoffnung und jede Illusion. Der dumpfe Haß, der bei allen leidenschaftlichen Frauen unter der Liebe schlummert, offenbarte sich als Sieger. Sie entdeckte in dem Blicke des Mannes denselben Schatten, der über ihr eigenes Auge glitt.
    »Erzürne ich Sie? Wollen Sie allein nach Venedig zurückkehren? Wollen Sie die tote Sommergöttin zurücklassen? Das Wasser fällt

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