Feuer (German Edition)
zwar, aber es ist immer noch genug davon da für den, der nicht die Absicht hat, darauf zurückzukehren. Wünschen Sie, daß ich es versuche? Konnte ich gefügiger sein?«
Sie sagte diese sinnlosen Dinge mit zischender Stimme. Und ihr Gesicht war fast aschgrau, sie war plötzlich zusammengebrochen, als zehrte ein Gift an ihr. Und jener erinnerte sich auf ihrem Gesicht dieselbe Maske gesehen zu haben an einem entlegenen Tage der Wollust, der Raserei und der Traurigkeit. Sein Herz zog sich zusammen und löste sich dann.
»Wenn ich Ihnen weh getan habe, so verzeihen Sie mir!« – sagte er und versuchte ihre Hand zu nehmen, um sie mit einer liebevollen Gebärde zu beruhigen. – »Aber sind wir nicht gemeinsam demselben Ziele zugesteuert? Kam mir nicht von Ihnen ...«
Sie unterbrach ihn, nicht imstande, diesen weichen Ton, diese gewohnte Medizin länger zu ertragen.
»Weh? Und was tut's? Kein Mitleid, um Gottes willen kein Mitleid! Weinen Sie nicht um die schönen Augen des zusammengeschossenen Hasen.«
Sie schritt den Quai entlang längs des violettschimmernden Kanals, vorbei an den Türen, in denen beim letzten Tagesschimmer noch die Frauen saßen, die Körbe voller Glasperlen im Schoße. Sie stieß die Worte einzeln zwischen den Zähnen hervor. Ihr verzerrter Mund brach in ein konvulsives wildes Lachen aus, das wie herzzerreißendes Schluchzen klang. Ihr Gefährte schauderte, und fassungslos unter den forschenden Blicken der Neugierigen sprach er zu ihr mit leiser Stimme:
»Nimm dich zusammen! Foscarina, ich bitte dich! Nimm dich zusammen! Sei nicht so! Ich bitte dich! Wir sind gleich an der Riva, gleich zu Hause ... Ich will dir alles sagen ... Dann wirst du mich verstehen ... Wir sind auf der Straße ... Hörst du mich?«
Sie hatte auf einer der Schwellen eine Frau bemerkt, die guter Hoffnung war, mit einem hochgetriebenen Leib wie ein voller Schlauch, die den Raum zwischen den beiden Türpfosten ausfüllte und in Träumereien versunken schien, während sie ein Stück Brot aß.
»Hörst du mich? Foscarina, ich bitte dich! Beherrsche dich! Stütze dich auf mich.«
Er fürchtete, sie in dem schrecklichen Krampf zu Boden stürzen zu sehen, und hielt sich bereit, ihr beizuspringen. Aber sie beschleunigte den Schritt, nicht imstande zu antworten und mit der verbundenen Hand das Lachen erstickend, während sie glaubte zu fühlen, wie in dem Krampfe die Haut ihres Gesichtes rissig würde.
»Was hast du? Was siehst du?«
Niemals wird dieser Mann die Veränderung dieser Augen vergessen können. Sie waren weit aufgerissen, blicklos, von totenhafter Starrheit bei den grausamen Zuckungen, fast als wären sie lidlos. Und dennoch sahen sie: sie sahen etwas, das nicht da war, sie waren von einer unbekannten Vision erfüllt, von einer grauenerregenden Vorstellung, die vielleicht dieses Lachen der Angst und des Wahnsinns erzeugte.
»Möchtest du dich ausruhen? Willst du einen Schluck Wasser?«
Sie waren auf dem Fondamenta dei Vetrai angelangt, wo jetzt die Läden geschlossen waren, wo die Schritte widerhallten, wo das Geräusch der grauenhaften Lustigkeit sich in einem Echo wie unter einem Bogengang zu verlängern schien. Wie lange war es her, seit sie an diesem toten Wasser entlang gegangen waren? Welch Lebensschicksal hatten sie inzwischen durchlaufen? Welch tiefen Schatten ließen sie hinter sich?
Als sie in der Gondel saß, fest in ihren Mantel eingehüllt, blasser noch als auf dem Weg nach Dolo, versuchte die Unglückliche ihren Krampf zu unterdrücken, indem sie ihre beiden Hände gegen ihre Kinnbacken preßte. Aber von Zeit zu Zeit gellte noch wider Willen das entsetzliche Lachen in dem dumpfen Schweigen, den Rhythmus der Ruderschläge unterbrechend. Sie preßte den Mund noch stärker zusammen, wie um sich zu ersticken. Zwischen dem bis unter die Augenbrauen zurückgeschlagenen Schleier und dem blutbefleckten Taschentuch starrten ihre weitgeöffneten Augen in den im Abenddämmerlicht ruhenden unermeßlichen Raum.
Die Lagune und die dichten Dünste verschlangen alle Formen und Farben. Das graue Einerlei wurde nur durch die Gruppen von Pfählen unterbrochen, die einer Prozession von Mönchen auf einer Bußwanderung glichen. Venedig rauchte in der Ferne, wie die Überreste einer großen Plünderung.
Als das Lauten der Glocken herüberdrang, kam die Seele wieder zu sich, Tränen entquollen den Augen, das Entsetzen war besiegt.
Die Frau ließ die Hände sinken, neigte sich ein wenig zu der Schulter ihres Freundes
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