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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Stilisten war, die je gelebt: die reinste hellenische Seele der ganzen Renaissance. Und siehe, gleich ist deine Stirn durch ein Licht gezeichnet.«
    Es war das Bild eines Jünglings mit schönem, welligem Haar, einem Cäsarenprofil, apollinischem Hals, ein Typus der Anmut und Kraft, in reiner Bronze und so vollkommen, daß die Einbildungskraft ihn sich im Leben nur gefeit gegen jeden Verfall und unveränderlich vorstellen konnte, wie der Künstler ihn in diesen Metallkreis gebannt hatte für die Ewigkeit. – Dux equitum praestans Malatesta Novellus Cesenae dominus. Opus Pisani pictoris. – Und daneben war eine andere Medaille aus der Hand desselben Schöpfers, die das Bildnis einer Jungfrau darstellte mit schmächtiger Brust, einem Schwanenhals, die Haare nach hinten in einen tiefen Knoten zusammengeschlungen, mit hoher, zurückgehender Stirn, die schon dem Heiligenschein geweiht war: Gefäß der Keuschheit, für immer verschlossen, hart, scharf und durchsichtig wie der Diamant; diamantenes Gefäß, in das eine Seele geschlossen war, wie die Hostie dem Opfer geweiht. Cicilia Virgo filia Johannis Francisci primi Marchionis Mantuae.
    »Siehst du« – fuhr der schmächtige Exeget fort, auf die beiden seltenen Münzen deutend – »siehst du, wie Pisanello mit der gleichen wunderbaren Geschicklichkeit verstand, die stolzeste Blume des Lebens und die keuscheste Blume des Todes zu pflücken. Hier ist das Bild des weltlichen Begehrens und das Bild der himmlischen Sehnsucht in derselben Reinheit des Stils wiedergegeben. Erkennst du hier nicht die Analogien, die deine eigene Kunst mit dieser Kunst verbinden? Wenn deine Persephone von dem Granatbaum in der Unterwelt die reife Frucht pflückt, so liegt auch in dieser begehrlichen Geste etwas Mystisches, denn unbewußt entscheidet sie ihr Schicksal, wenn sie die Schale teilt, um die Kerne zu essen. Der Schatten des Geheimnisses begleitet also ihre sinnliche Handlung. Damit hast du den Charakter deines ganzen Werkes gekennzeichnet! Keine glühendere Sinnlichkeit als die deine; aber deine Sinne sind so geschärft, daß sie, während sie die Erscheinungsform genießen, bis ins Innerste eindringen und dem Mysterium begegnen und davorzurückschaudern. Deine Vision dringt hinter den Vorhang, auf dem das Leben seine wollüstigen Gestalten gezeichnet hat, in denen du dir gefällst. Indem du so in dir vereinigst, was unvereinbar scheint, indem du mühelos die beiden Endpunkte der Antithese in dir verbindest, gibst du heute das Beispiel eines vollkommenen und übermächtigen Lebens. Das mußt du deinen Hörern mitteilen, denn vor allem ist es wichtig, daß dies zu deinem Ruhm anerkannt wird.«
    Und er hatte die ideale Verbindung zwischen dem kühnen Malatesta, dem Führer der Edelleute, und der verzückten mantovanischen Jungfrau Cecilia Gonzaga mit demselben Glauben gefeiert, mit dem der gute Priester vor dem Altar seines Amtes waltet. Und um dieses Glaubens willen liebte ihn Stelio, und weil er in keinem andern diesen Glauben an das Vorhandensein der poetischen Welt so tief und so aufrichtig empfand, und schließlich, weil er in ihm häufig eine Art von offenbarendem Bewußtsein wiederfand und in seinen Erläuterungen zuweilen eine plötzliche Erleuchtung seines eigenen Werkes.
    »Eben kommt die Foscarina mit Donatella Arvale« - verkündete Francesco de Lico, der die vorübergehende Menge beobachtete, die die Scala dei Censori heraufstieg und sich in dem Riesensaal zusammendrängte.
    Da wurde Stelio Effrena von neuem von Bangigkeit ergriffen. Und das murmelnde Geräusch der Menge vermischte sich in seinem Ohr mit dem Klopfen seiner Pulse, wie in einer unbestimmten Ferne, und in diesem Getöse vernahm er wieder Perditas letzte Worte.
     
    Das Geräusch schwoll an, wurde schwächer, hörte auf, während er sichern und leichten Schrittes die Stufen zum Podium hinaufstieg. Als er sich der Menge zuwandte, sah er mit geblendeten Augen auf das furchtbare Ungeheuer mit den zahllosen Menschenköpfen zwischen dem Gold und dem düstern Purpur des Riesensaales.
    Ein plötzlich erwachter Stolz half ihm die Selbstbeherrschung wiedererlangen. Er verneigte sich vor der Königin und Donna Andriana Duodo, die ihm beide mit ihrem Zwillingslächeln zulächelten, wie von der vorübergleitenden Prunkgondel auf dem Canale Grande. Er bemühte sich, mit den Augen in dem Funkeln der ersten Reihen die Foscarino zu erkennen; er durchlief die ganze Versammlung bis zum Hintergrund des Saales, der nur noch wie

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