Feuer (German Edition)
ein schwarzer Streifen erschien, mit unbestimmten hellen Flecken untermischt. Und nun glich ihm die verstummte, erwartungsvolle Menge einem ungeheuren vieläugigen Fabeltier, dessen Brust ein leuchtender Schuppenpanzer bedeckte, und das sich unter den Riesenvoluten eines reichen und schweren Deckengewölbes, einem schwebenden Schatze gleich, schwärzlich ausdehnte.
Wundervoll war dieser chimärische Oberkörper, auf dem sicher manches Geschmeide glänzte, dessen Feuer schon unter demselben Himmel beim nächtlichen Gastmahl einer Krönungsfeier gefunkelt hatte. Das Diadem und die Perlenschnüre der Königin – die vielfachen Perlenschnüre der Größe nach geordnet wie Lichtbeeren, die die Vorstellung erweckten von dem wunderbaren, sichtbar keimenden Lächeln – ,die dunklen Smaragde von Andriana Duodo, einst dem Griffe eines grausamen Säbels entrissen, die Rubinen von Giustiniana Memo, in der unvergleichlichen Arbeit des Vettor Camelio, in der Form von Nelken gefaßt, die Saphire der Lucrezia Priuli, den hohen Stöckelschuhen entnommen, auf denen die erlauchte Zilia am Tage ihres Triumphes zum Throne geschritten war, die Beryllen der Orsetta Contarini, so zierlich in der Kunst Silvestro Grifos mit dem matten Gold vermischt, die Türkisen der Zenobia Corner, von einem niegesehenen bleichen Farbton, durch geheimnisvollen Zauber verwandelt in einer Nacht an dem feuchten Busen der Lusignana, die herrlichsten Juwelen, die die meerentstiegene Stadt in Jahrhundertfesten geschmückt hatten, alle hatten sich zu neuem Glanz entzündet auf dieser Brust des Fabeltiers, von der ein welcher Duft weiblicher Haut und weiblichen Hauches zu Stelio herüberströmte. Seltsam fleckig wirkte der übrige unförmliche Leib, der sich nach hinten fast schwanzartig ausdehnte, zwischen den beiden Riesengloben hindurch, die dem Bilderreichen die beiden ehernen Himmelskugeln in die Erinnerung riefen, die das geblendete Ungeheuer mit seinen Löwenklauen packt in der Allegorie des Giambellino. Und dieses ungeheure, tierische Lebewesen, das gedankenblind vor ihm saß, der allein in dieser Stunde denken mußte, mit jenem trägen Reiz der sphinxartigen Götzenbilder, vom eigenen Schweigen wie von einem Schilde gedeckt, der jede Schwingung auffangen und zurückwerfen kann, erwartete den ersten Schauer von dem allbeherrschenden Wort.
Stelio Effrena bemaß das Schweigen, in dem seine erste Silbe erzittern würde. Während das erste Wort den Weg zu seinen Lippen suchte, geleitet und gefestigt von seinem Willen gegen die instinktive Verwirrung, gewahrte er die Foscarina neben dem Geländer stehend, das die Himmelskugel umgab. Das bleiche Gesicht der Tragödin auf dem Hals, den kein Geschmeide zierte, und der reinen Form der nackten Schultern hob sich von dem Ringe mit dem Zeichen des Tierkreises ab. Stelio bewunderte das Künstlerische dieser Erscheinung. Und aus der Ferne seine anbetenden Blicke auf sie heftend, begann er mit abgemessener Langsamkeit zu sprechen, fast, als hätte er noch den Rhythmus des Ruders im Ohr.
»Ich glaubte kürzlich an einem Nachmittag – als ich heimkehrte aus den Gärten durch die sanfte Biegung der Riva degli Schiavoni, die der Seele der schwärmenden Dichter zuweilen wie irgendeine verzauberte goldene Brücke erscheinen könnte, die über ein Meer von Licht und Schweigen zu einem Traum von unendlicher Schönheit führt – ich glaubte, oder vielmehr, in meinen Gedanken wohnte ich einem innigen Schauspiel bei, dem hochzeitlichen Bunde des Herbstes mit Venedig unter den freien Himmeln.
Allüberall herrschte ein lebendiger Geist, ein Gemisch von leidenschaftlicher Erwartung und verhaltener Glut, der mich verblüffte durch sein Ungestüm, der mir jedoch nicht neu erschien, denn ich hatte ihn schon unter der fast toten Unbeweglichkeit des Sommers in irgendeiner Schattenzone verborgen gefunden, und ich hatte ihn auch zwischen dem seltsamen Fieberdunst des Wassers hier von Zeit zu Zeit zittern fühlen, wie einen geheimnisvollen Pulsschlag. – So trachtet in Wahrheit – dachte ich – diese reine Stadt der Kunst nach einer höchsten Stufe der Schönheit, die für sie ein alljährlich wiederkehrender Zustand ist, wie für den Wald das Blütentragen. Sie möchte sich selbst in einer vollen Harmonie offenbaren, fast als wäre jener Wille zur Vollkommenheit immer mächtig und bewußt in ihr, aus dem sie geboren wurde, und aus dem sie sich in den Jahrhunderten gestaltet hat, wie ein göttliches Wesen. Unter dem unbeweglichen
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