Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
Vom Netzwerk:
Wasser. Und der jubelnde Zuruf, der die schöne Frau auf dem Throne grüßte – der Name der weißen Sternblume und der reinsten Perle in einem einstimmigen Schrei der Liebe von dem Echo des Marmors zurückgeworfen – erweckte die Erinnerung an den Prunk der antiken Verlöbnisse, an den Triumphzug der Künste, die die neue Dogaressa zum Palast begleiteten, die endlose Woge der Heiterkeit, auf der Morosina Grimani zum Throne schwebte, leuchtend in ihrem Gold, während die Künste sich vor ihr neigten, reich beladen mit Gaben wie Füllhörner.
    »Sicherlich wird die Königin« – sagte Francesco de Lizo – »wenn sie deine Bücher liebt, alle ihre Perlen anlegen. Du wirst einen Wall von Edelsteinen vor dir haben: den ganzen Erbschmuck des venezianischen Patriziates.«
    »Sich nur, Stelio« – sagte Daniele Glauro – »am Fuß der Treppe ist eine Gruppe von Schwärmern, die auf dein Vorbeigehen wartet.«
    Stelio blieb bei dem von der Foscarina bezeichneten Brunnen stehen. Und während er sich über den ehernen Rand neigte, fühlte er gegen die Knie die Reliefs der kleinen Caryatiden und gewahrte ln dem dunkeln Spiegel den unbestimmten Widerschein der fernen Sterne. Für einige Augenblicke sonderte sich seine Seele ab, verschloß sich den umgebenden Geräuschen, Zog sich in diesen Schattenkreis zurück, aus dem ein kalter Hauch aufstieg, der die stumme Gegenwart des Wassers offenbarte. Und er empfand die Qual der geistigen Spannung und den Wunsch, anderswo zu sein, und das unbestimmte Bedürfnis, den Rausch noch zu überbieten, den die nächtlichen Stunden ihm versprachen, und im innersten Grunde seines Wesens eine geheime Seele, die gleich diesem Wasserspiegel unbeweglich, fremd und unberührbar blieb.

    »Was siehst du?« - fragte ihn Piero Martello, sich auch über den Rand beugend, der von den Eimerseilen durch jahrhundertlange Benutzung abgeschliffen war.
    »Das Gesicht der Wahrheit« – erwiderte der Meister.
    In den Räumen, die sich an den Saal des Großen Rates schließen und einst von dem Dogen, jetzt von heidnischen, aus alter Kriegsbeute herrührenden Statuen bewohnt wurden, wartete Stelio Effrena auf das Zeichen des Festordners, um auf dem Podium zu erscheinen. Er lächelte ruhig zu den Freunden, die mit ihm plauderten, aber ihre Worte drangen an sein Ohr wie die vereinzelten Töne, die der Wind aus der Ferne ab und zu herüberträgt. Von Zeit zu Zeit offenbarte sich seine übermäßige Erregung durch eine unwillkürliche Bewegung, er näherte sich einer Statue und betastete sie krampfhaft mit der Hand, als wollte er einen empfindlichen Punkt herausfinden, um sie zu zerbrechen; oder er betrachtete mit gespannter Aufmerksamkeit eine Medaille, als gälte es, ein unentzifferbares Zeichen zu enträtseln. Aber seine Augen sahen nichts; sein Blick war nach innen gerichtet, dort, wo potenzierte Willenskraft die stummen Formen zum Leben erweckte, die durch die biegsame Stimme die höchste Vollkommenheit der Musik der Sprache erreichen sollten. Sein ganzes Wesen spannte sich krampfhaft, um die Darstellung der seltsamen Empfindung, die ihn beseelte, zum höchsten Grade der Intensität zu erheben. Da er nur von sich selbst und seiner Welt sprechen konnte, so wollte er wenigstens die glänzendsten und eigenartigsten Eigenschaften zu einer Idealgestalt zusammenfassen und den nacheifernden Geistern durch Bilder erläutern, von welch unwiderstehlicher Macht des Verlangens er durch das Leben getrieben wurde. Auch wollte er ihnen noch einmal beweisen, daß, um über Menschen und Dinge den Sieg zu erlangen, nichts so wertvoll ist als die Beharrlichkeit in der Selbstbegeisterung und in der Verherrlichung des eigenen Traumes von Schönheit oder Herrschaft.
    Über eine Medaille des Pisanello geneigt, fühlte er den Puls seines Gedankens mit unglaublicher Schnelligkeit gegen die glühenden Schläfen klopfen.
    »Sieh, Stelto« – sagte Daniele Glauro etwas abseits zu ihm mit jener frommen Ehrfurcht, die seine Stimme verschleierte, wenn er von seiner Religion sprach – »sieh, wie die geheimnisvollen Bande der Kunst auf dich wirken, und wie ein unfehlbarer Instinkt deinen Gedanken in dem Augenblick, da er sich offenbaren soll, zwischen so vielen Erscheinungsformen auf das reinste Exemplar, auf ein Gepräge des erhabensten Stils lenkt. In dem Augenblick, da du deinen Gedanken prägen willst, neigst du dich in Wahlverwandtschaft über eine Medaille des Pisanello, du findest dich im Zeichen dessen, der einer der größten

Weitere Kostenlose Bücher