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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Feuer des sommerlichen Himmels schien sie ohne Pulsschlag und ohne Atem zu sein, tot in ihren grünen Wassern; aber mein Gefühl trog mich nicht, wenn ich erriet, daß im geheimen ein Geist des Lebens in ihr sich rührte, der stark genug war, das höchste der alten Wunder zu erneuern.
    So dachte ich, während ich dem unvergleichlichen Schauspiel beiwohnte, das ich vermöge eines liebebegabten und dichterischen Gemüts mit aufmerksamen Augen betrachten konnte, deren Blick sich mir in eine tiefe und andauernde Vision verwandelte ... Aber vermöge welcher Kraft könnte ich je meinen Hörern diese meine Vision der Schönheit und der Freude mitteilen? Kein Morgenlicht und keine Abendröte gleichen einer solchen Stunde des Lichtes auf den Steinen und Wassern. Das plötzliche Erscheinen der geliebten Frau im blühenden Frühlingswald ist nicht so berauschend wie die tägliche, unerwartete Offenbarung der heroischen und wollüstigen Stadt, die in ihren marmornen Armen den reichsten Traum der lateinischen Seele trug und erstickte.«
    Die Stimme des Redners, klar und durchdringend und im Anfang fast frostig, schien sich sofort an den unsichtbaren Funken zu entzünden, die die gespannte geistige Anstrengung der Improvisation in seinem Gehirn erregen mußte, und die von seinem überfeinen Ohr aufs sorgfältigste geregelt wurde. Während die Worte frei von seinen Lippen flossen und die rhythmische Linie der Periode sich gleich einer in einem Zug aus freier Hand gezeichneten Figur schloß, empfanden die Hörer unter dem harmonischen Wortfluß das Übermaß der Spannung, welche diesen Geist marterte, und sie wurden davon ergriffen wie von einem jener kühnen circensischen Spiele, bei denen die ganze herkulische Willenskraft eines Athleten sich in der Spannung seiner Sehnen und in dem Anschwellen seiner Adergewebe offenbarte. Sie empfanden das Lebendige, das Warme, das Unmittelbare in dem so ausgedrückten Gedanken, und ihr Genuß war um so größer, als er unerwartet war, denn alle hatten von diesem unermüdlichen Streber nach Vollkommenheit den einstudierten Vortrag einer sorgsam und fleißig ausgearbeiteten Rede erwartet. Die Jünger wohnten mit tiefer Ergriffenheit diesem kühnen Versuch bei, fast als hätte er vor ihnen die geheimnisvolle Werkstatt enthüllt, aus der die Formen hervorgegangen waren, die ihnen so viele Freudengaben gewährt hatten. Und diese anfängliche Regung, die ansteckend wirkte, sich unendlich vervielfältigte und einstimmig wurde, strahlte auf ihn zurück, der sie hervorgerufen hatte. Es schien ihn zu überwältigen.
    Das war die Gefahr, die er vorausgesehen. Er schwankte, wie unter dem Anprall einer starken Woge. Und für einige Augenblicke erfüllte dichte Dunkelheit sein Gehirn. Das Licht seines Gedankens erlosch wie eine Fackel beim Wehen des Windes. Seine Augen verschleierten sich, als wollte ein Schwindel ihn ergreifen. Er fühlte die Schmach der Niederlage, wenn er dieser Verwirrung nachgäbe. Und mit einer Art grausamer Selbstzüchtigung, mit einem Schlag, wie der Stahl gegen den Stein, entzündete sein starker Wille in diesem Dunkel den neuen Funken.
    Mit seinem Blick und seiner Gebärde hob er die Seele der Menge empor zu dem Meisterwerk, das über die Deckenwölbung des Saales einen Sonnenglanz ergoß.
    »Ich bin gewiß« – rief er aus – »ich bin gewiß, so erschien sie dem Meister Paolo, während er in seinem Innern das Bild der triumphierenden Herrscherin suchte. Ich bin gewiß, daß er bis in die innersten Fibern erschauerte und sein Knie beugte, wie in Anbetung des Wunders, das erschüttert und blendet. Und als er sie auf diesen Deckenhimmel malen wollte, um den Menschen sein Wunder zu offenbaren, er – der verschwenderische Künstler, der alle die ausschweifendsten Phantasien der Satrapen in sich zu vereinen schien, der wundervolle Poet, dessen Seele dem lydischen Flusse glich, den die Griechen so wohllautend Chrysorroa nannten und dessen goldreichen Gewässern eine Dynastie von Königen entstammte, Besitzer unerhörter Reichtümer – er, der Veroneser, verschwendete Gold und Edelsteine, kostbare Gewebe, Purpur und Hermelin, alle denkbare Pracht, aber er konnte das hehre Antlitz nur darstellen in einem Schattenkreis.
    Nur um dieses Schattens willen verdiente der Veronese, in den Himmel erhoben zu werden!
    Der ganze geheimnisvolle Zauber Venedigs liegt in diesem lebenswarmen und fließenden Schatten, der, kurz und dennoch unendlich aus lebendigen, aber unerkennbaren Teilen

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