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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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zusammengesetzt, eine Wunderkraft besitzt, wie jene Märchengrotten, in denen die Edelsteine Augen haben, und wo so mancher gleichzeitig die unvereinbar zwiefache Empfindung der Frische und der Glut verspüren kann. Dafür gebührt dem Veroneser der höchste Ruhm. Indem er die weltbeherrschende Stadt in menschlicher Gestalt darstellte, hat er verstanden, das Wesentliche ihres Geistes zum Ausdruck zu bringen: das – symbolisch ausgedrückt – nichts anderes ist als eine unauslöschliche Flamme, in einen Wasserschleier gehüllt. Und ich weiß von einem, der in dieser erhabenen Sphäre seine Seele lange Zeit untergetaucht hatte, und als er sie wieder dem Element entzog, war sie mit einer neuen Kraft begabt, und er arbeitete von da ab mit glühenderen Händen an seiner Kunst und an seinem Leben.«
    War er nicht dieser eine? In dieser Bejahung seines Selbst schien er seine ganze Sicherheit wiederzufinden und sich nunmehr Herr seines Gedankens und seines Wortes zu fühlen. Die Gefahr war vorüber, und er war imstande, in den Zirkel seines Traumes das ungeheure, vieläugige Fabeltier zu ziehen, dessen Brust leuchtende Schuppen bedeckten, das bewegliche, vielgliederige Ungetüm, aus dessen Flanke, wie ein Sproß von ihm, die tragische Muse auftauchte, mit dem Haupt, das sich von dem Kreis der Gestirne abhob.
    Seiner Gebärde folgend, hoben sich die zahllosen Gesichter auf zu der Apotheose. Die Binde von den Augen, sahen sie mit Staunen das Wunder, fast, als sähen sie es zum erstenmal, oder als sähen sie es in einem vorher nicht gekannten Lichte. Der große nackte Rücken der weiblichen Gestalt mit dem goldenen Helm hob sich mit so leuchtender, lebendiger Plastik von der Wolke ab, daß von ihm eine Verführung ausging wie von lebendigem Fleisch. Und von dieser über all den Dingen schwebenden leuchtenden Nacktheit, die Siegerin geblieben war über die Zeit, die alle die Heldendarstellungen der Belagerungen und der Schlachten unter ihr verdunkelt hatte, schien sich ein göttlicher Zauber zu ergießen, den die weichen Lüfte der Herbstnacht, die durch die offenen Balkone einströmten, noch süßer machten und das Blut erregten, fast wie die Duftwoge, die dem Rosenhag entströmt, während die hohen fürstlichen Damen dieses Hofes von der Balustrade zwischen den beiden gewundenen Säulen herab ihre in Leidenschaft glühenden Gesichter und ihre üppigen Busen zu ihren jüngsten weltlichen Schwestern herunterneigten.
    In diesem Zauber befangen, strömte der Poet seine wohllautenden Perioden wie lyrische Strophen aus.
    »Eine solche Flamme sah ich gestern auflodern in ungezügelter Gewalt und über Venedigs Schönheit einen nie gesehenen Ausdruck von Kraft ergießen. Die ganze Stadt entflammte vor meinen Augen in Begierde und erbebte in Bangigkeit, von ihren tausend grünen Gürteln umwunden, wie die Geliebte, die die Stunde der seligen Freude erwartet. Sie breitete ihre marmornen Arme dem spröden Herbst entgegen, dessen feuchter Hauch zu ihr drang, den Duft der fernen, mit dem köstlichen Tode ringenden Felder herübertragend. Sie spürte die leichten Dünste, die von den Ufern der stummen Lagune aufstiegen, und es schien ihr, als näherten sie sich ihr, heimliche Botschaften bringend. Sie lauschte in dem selbstgeschaffenen Schweigen gespannt auf die leisesten Geräusche, und der flüchtige Windhauch in ihren seltenen Gärten klang ihr wie eine melodische Cadenz, die über die Einfriedigungen hinausschwebte. Eine Art Erstarrung legte sich um die einsamen, gefangenen Bäume, die, entfärbt, in loderndem Feuer zu leuchten schienen. Das welke Blatt, das auf den vom Anlegen der Gondeln abgenützten Stein gefallen war, glänzte wie ein Edelstein; auf der Höhe der mit gelben Moosen geschmückten Mauer öffnete sich die in Reife geschwellte Frucht des Granatbaumes wie ein schöner Mund, dem ein herzliches Lachen die Lippen öffnet. Langsam und schwerfällig glitt eine Barke vorbei, hoch beladen mit Trauben wie das Faß, das zum Keltern bereit steht, und verbreitete über dem mit toten Algen bedeckten Wasser den luftigen Rausch der Weinlese und die Vision von sonnigen Weinbergen, die hellsingende Jugend bevölkert! Alle Dinge waren von tiefer Beredsamkeit, als ob ihrer sichtbaren Gestalt eine unsichtbare Bedeutung anhaftete und sie durch ein göttliches Vorrecht in der höchsten Wahrheit der Kunst lebten.«
    »Gewiß also« – dachte ich – »gewiß lebt in der Stadt von Stein und Wasser wie in der Seele eines reinen Künstlers ein

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