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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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für einige Augenblicke auf den Gipfel der Glückseligkeit emporgetragen hatte. Der Dogenpalast hinter ihr, von hellem Licht und wirrem Lärmen erfüllt, erweckte die Vorstellung von einer jener märchenhaften Auferstehungen, die plötzlich unzugängliche, inmitten von Wäldern schlummernde Königsschlösser verwandeln, in denen königliches Lockenhaar in der Einsamkeit wuchs, vom Schweigen der Jahrhunderte genährt, einem unvergänglichem Weidenbaum am Strome des Vergessens gleichend. Die beiden wachenden Giganten schimmerten rot bei der Glut der Fackeln; der Giebel des goldenen Portals erglänzte von kleinen Flämmchen; jenseits des nördlichen Flügels ragten die fünf Kuppeln der Basilika in den Himmel wie riesige, mit Edelsteinen reich geschmückte Bischofsmützen. Und das ungeheure Geschrei stieg und stieg durch all die marmornen Gebilde, unwiderstehlich wie das Brausen des Orkans gegen die starken Mauern von Malamokko.
    In diesem nie erhörten Festestaumel, in diesem Kontrast ungewohnter Erscheinungen sah Stelio Effrena die beiden Versucherinnen sich seiner Begierde nahen, beide aus der Menge hervorschreitend wie aus der Umarmung eines Ungeheuers. Sein Wunsch malte ihm eine seltsame Verschmelzung vor, von der er glaubte, sie könne sich mit der Leichtigkeit der Träume und mit der Feierlichkeit einer liturgischen Zeremonie verwirklichen. Er glaubte, Perdita bringe ihm diese wundervolle Beute zu einem geheimnisvollen Zweck von Schönheit, zu irgendeinem erhabenen Lebenswerke, an dem sie selbst mit ihm gemeinsam schaffen wollte. Er glaubte, Perdita werde in der Nacht wundersame Worte zu ihm sprechen. Und über seine Seele glitt wieder die unbeschreibliche Melancholie, die er empfunden hatte, als er, über den bronzenen Rand geneigt, den Wiederschein der Sterne in diesem dunklen Spiegel unten betrachtet hatte, und er wartete auf ein Ereignis, das in der Tiefe seines Wesens jene geheimnisvolle Seele aufrühren sollte, die gleich diesem Wasserspiegel unbeweglich, fremd und unzugänglich blieb. Er verstand an der schwindelnden Schnelligkeit seiner Gedanken, daß er sich im Zustand der Gnade befände, im Hereinbrechen jener göttlichen Raserei, in die ihn nur die Wunder der Lagune versetzen konnten. Mit einem Vorgefühl von Trunkenheit trat er aus dem Schatten den beiden Frauen entgegen.
    »Ach, Effrena –« sagte, beim Brunnen anlangend, die Foscarina – »ich hoffte kaum noch, Sie hier zu finden. Wir kommen spät, nicht wahr? Aber wir waren in die Menge geraten, ohne Entrinnen ...«
    Und sich lächelnd an die Gefährtin wendend, fügte sie hinzu:
    »Donatella, hier ist der Herr des Feuers.«
    Lächelnd, aber ohne zu sprechen, erwiderte Donatella Arvale Stelios tiefe Verneigung.
    Die Foscarina zog sie fort, indem sie hinzufügte:
    »Wir müssen unsere Gondel suchen. Sie wartet an der Ponte della Paglia auf uns. Begleiten Sie uns, Effrena? Man muß den Augenblick benutzen. Die Menge drängt nach der Piazetta; die Königin entfernt sich durch die Porta della Carta.«
    Ein einstimmiger, langgezogener Schrei begrüßte die Erscheinung der blonden, perlengeschmückten Königin oben auf der Treppe, wo einst der gewählte Doge im Angesicht des Volkes die Insignien seiner herzoglichen Würde empfing. Noch einmal wurde der Name der weißen Sternenblume, der reinsten Perle, vom Marmor als Echo zurückgeworfen. Jubelnde Blitze prasselten zum Himmel auf. Tausend flammende Tauben flatterten als Boten des Feuers von den Zinnen von San Marco.
    »Das Epiphaniasfest des Feuers!« rief die Foscarina bei diesem blendenden Schauspiel, während sie dem Molo zuschritt.
    Und an ihrer Seite standen Donatella Arvale und Stelio Effrena wie gebannt; und sie blickten sich an mit geblendeten Augen. Und ihre Gesichter, von dem Widerschein des Feuers entzündet, glühten, als ob sie über einen Schmelzofen oder über einen Krater gebeugt ständen.
     
    Der Schein der unzähligen buntfarbenen, flüssigen Feuergarben verbreitete sich über das Firmament, glitt über das Wasser hin, wand sich an den Masten der Schiffe hinauf, bekränzte Kuppeln und Türme, verschönte das Gebälk, schlang sich um Statuen, schmückte Kapitale mit Edelsteinen, machte jede Linie reich und verklärte den Anblick all der heiligen und profanen Architekturwerke, in deren Umfassung das tiefe Wasser dalag wie ein Zauberspiegel, der all diese Wunder vervielfältigte. Die geblendeten Augen unterschieden nicht mehr die Grenzen und das Wesen der Elemente, sondern waren in

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