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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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einer grenzenlosen und ewig wechselnden Täuschung befangen, in der alle Formen, in vibrierendem Äther schwebend, ein lichtvolles und fließendes Leben lebten, sodaß die schlanken zierlichen Schiffe auf dem Wasser und die Myriaden goldener Tauben am Himmel miteinander an Leichtigkeit im gleichen Fluge zu wetteifern und die Gipfel unkörperlicher Gebilde zu berühren schienen. Was in der Dämmerung wie ein silberner Palast erschienen war, dessen Bauart den gewundenen Formen der Meeresgebilde nachgebildet schien, das war wahrhaftig ein Tempel, von den flinken Genien des Feuers erbaut. Das war wahrhaftig, ins Gigantische übertragen, eines jener labyrinthischen Gebilde, die das Feuer auf den Kaminrosten hervorzaubert, in deren hundert Spalten und Rissen doppelköpfige Auguren der spähenden Jungfrau rätselhafte Zeichen geben; das war, ins Gigantische übertragen, eins jener zerbrechlichen, rosenroten Königsschlösser, an deren tausend Fenstern für einen Augenblick die Salamander-Prinzeßchen sich blicken lassen und dem in Sinnen versunkenen Dichter wollüstig zulachen. Rosenfarben wie der westliche Mond strahlte auf der anstoßenden dreifachen Loggia die von Atlanten auf den Schultern getragene Kugel der Fortuna und verdunkelte mit ihrem Glanz ein Heer von Trabanten. Von der Ria, von San Giorgio, von der Giudecca aus trafen in der Höhe mit unaufhörlichem Prasseln Garben von flammenden Raketen zusammen, die sich oben zu Rosen, Lilien, paradiesischen Blumen erschlossen und hoch in der Luft einen Garten bildeten, der sich wieder auflöste, um in immer reicheren, immer seltsameren Formen neu zu erstehen. Es war wie eine schnelle Wechselfolge göttergleicher Frühlinge und Herbste. Ein endloser, sprühender Regen von Blüten und Blättern fiel aus diesem himmlischen Garten nieder und hüllte alles in seine goldenen Funken. Von weitem, gegen die Lagune zu, zwischen den Lücken, die sich in dem Gewimmel öffneten, sah man eine bewimpelte Flotte sich nahen, einen Schwarm von Segelschiffen. So mochten jene ausgesehen haben, von denen der üppige Schläfer träumte, der in seinem letzten Schlaf auf einem Bette dahinfuhr, erfüllt von tödlichen Düften. Und wie jene Schiffe, so mochten auch diese mit Tauwerk versehen sein, das aus den Haaren geraubter Sklavinnen gewunden war, ganz triefend von duftigem Öl; und wie jene hatten sie den Schiffsraum vollbeladen mit Myrrhen und Narden, mit Benzoë, mit Zimt, mit köstlichen Harzen, mit tausend Wohlgerüchen und mit Sandelholz, mit Zedern und mit Terpentinbäumen, mit hochgeschichteten duftenden Hölzern jeder Art. Wo diese bewimpelten Schiffe erschienen, beschworen die unbeschreiblichen Farben der Flammen diese Düfte und diese Spezereien herauf. Azurblau, grün, bläulichgrün, krokusgelb, violett, in verschwommenen Nuancen, schienen diese Flammen aus einer unterirdischen Feuersbrunst heraufzulodern und sich zu nie gesehenen Färbungen zu sublimieren. So loderten vielleicht im Altertum in der Wut der Plünderung die verborgenen Becken mit Essenzen, bestimmt, die Frauen der syrischen Fürsten im duftenden Bade aufzunehmen. Und so nahte sich jetzt, in dem Wasser, das übersät war von schmelzenden Körpern, die unter dem Kiel knirschten, die prächtige und verderbengeweihte Flotte langsam der Lagune, als wären ihre Steuermänner trunkene Träumer, die sie heranführten, damit sie angesichts des auf der Säule thronenden Löwen im Feuer sich verzehre wie ein gigantischer geweihter Scheiterhaufen, durch den das Innerste von Venedig für alle Ewigkeit mit betäubenden Wohlgerüchen erfüllt werden sollte.
    »Das Epiphaniasfest des Feuers! Der unvorhergesehene Kommentar zu Ihrer Dichtung, Effrena! Die Stadt beantwortet den Akt Ihrer Anbetung mit einem Wunder. Sie brennt ganz und gar in ihrem Wasserschleier. Sind Sie zufrieden? Sehen Sie um sich! Tausende goldener Granatäpfel hängen überall.«
    Die Schauspielerin lächelte, das Gesicht vom Fest erhellt. Jene eigentümliche Heiterkeit schien sich ihrer bemächtigt zu haben, die Stelio gar wohl kannte, und die in ihm stets die Vorstellung weckte, wie wenn in einem tiefen, verschlossenen Hause plötzlich hastige Hände alle in ihren Rahmen verquollenen Fenster und Türen mit dumpf knirschendem Ton aufrissen.
    »Man muß Ariadne preisen« – sagte er – »weil sie in diese Harmonie den erhabensten Ton gebracht hat.«

    Er hatte diese Worte nur gesprochen, um die Sängerin zum Reden zu veranlassen, um endlich den Klang dieser

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