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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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und Sängern, hielt unter Desdemonas Haus. Das alte Lied von der kurzen Jugend und der Vergänglichkeit der Schönheit klang süß hinauf zu der kleinen Dame, die zwischen ihrem Affen und ihrem Hündchen mit kindlichem Lächeln zuhörte – wie auf einem Stich von Pietro Longhi.
Do beni vu ghavé
Belezza e zoventù
Co i va no i torna più,
Nina mia cara...
     
    »Scheint Ihnen nicht dies vielmehr die wirkliche Seele von Venedig zu sein, Effrena, während die, die Sie der Menge gezeigt haben, in Wahrheit nur Ihre eigene war?« – sagte die Foscarina, leise den Kopf wiegend nach dem Rhythmus der weichen Melodie, die den ganzen Canale Grande erfüllte und in der Ferne von den andern Barken widerklang.
    »Nein, so verhält es sich nicht« – antwortete Stelio. –»In unserm Innern lebt, wie ein flatterhafter Schmetterling, der auf der Oberfläche unsrer tiefen Seele gaukelt, ein kleines Seelchen, ein kleinwinziger Spaßgeist,der uns oft verführt und zu schmeichlerischen und inferioren Vergnügungen überredet, zu kindischem Zeitvertreib, zu leichter Musik. Dieses flatternde Seelchen existiert auch in ernsten und leidenschaftlichen Naturen, gerade so, wie Sie der Person des Othello jenen Clown beigesellt sehen; und zuweilen fälscht es unser Urteil. Was Sie jetzt auf den Gitarren trällern hören, ist das Seelchen von Venedig; aber Venedigs wahre Seele enthüllt sich einzig im Schwelgen und noch schreckvoller – seien Sie dessen sicher – zur Mittagsstunde im Hochsommer, wie der große Pan. Und doch, vorher, dort auf der Lagune von San Marco, glaubte ich, Sie hätten sie einen Augenblick in dem ungeheuren Flammenmeer vibrieren sehen. Sie vergessen um der Rosalba willen Giorgione!«
    Um die Barke der Sänger scharten sich Boote voll schmachtender Frauen, die sich der Musik in hingebender Bewegung neigten, als wären sie im Begriff, zwischen unsichtbaren Armen ohnmächtig hinzusinken. Und rings um diese konzentrierte Wollust zitterten die vom Wasser widergespiegelten Laternen wie ein Gewinde buntfarbiger, leuchtender Wasserrosen.
Se lassaré passar
La bela e fresca etá,
Un zorno i ve dirá
Vechia maura;
E bramaré, ma invan
Que che ghavevi in man
Co avé lassar scampar
La congiontura.
     
    Das war wirklich das Lied der letzten Rosen, die um die gewundenen Arme des Kandelaber dahinwelkten. Es zauberte vor Perditas Seele den Totenzug des dahingestorbenen Sommers, den opalschimmernden Schrein, in den Stelio den süßen, in Gold gekleideten Leichnam geschlossen hatte. Sie sah ihr eigenes Bild in dem vom Herrn des Feuers festverschlossenen Glassarg, tief unten im Grunde der Lagune, auf weiten Wiesen von Seetang. Ein plötzlicher Schauder lief über ihre Glieder; Schrecken und Ekel vor ihrem der Jugend baren Körper schnürten sie Zusammen. Und als sie sich ihres vorher gegebenen Versprechens erinnerte, als sie daran dachte, daß noch in dieser selben Nacht der Geliebte seine Erfüllung heischen könne, krampfte sie von neuem zusammen im Schauder einer schmerzhaften, aus Angst und Stolz gemischten Scham. Ihre erfahrenen und verzweifelten Augen bohrten sich in die Frau an ihrer Seite, sie spürten ihr auf den Grund, sie blickten sie durch und durch, und sie erkannten die verborgene, aber sieghafte Kraft, die unberührte Frische, die quellreine Gesundheit und jene unbeschreibliche Liebesfähigkeit, die wie ein Aroma von den keuschen Körpern reiner Jungfrauen strömt, wenn ihre Blüte die volle Reife erlangt hat. Die geheime Wahlverwandtschaft, die dieses Geschöpf schon an den Wecker band, schien sich ihr zu offenbaren; es war ihr, als ob sie die Worte erriete, die er im Schweigen an sie richtete. Sie empfand eine wilde, unerträgliche Qual mitten in der Brust, sodaß ihre Finger mit einer unwillkürlichen Bewegung krampfhaft die schwarze Schnur der Armlehne umklammerten, und man den kleinen metallenen Greifen, mit dem sie befestigt war, kreischen hörte.
    Stelio, der sie unruhig beobachtete, war diese Bewegung nicht entgangen. Er verstand diese wütende Qual und erduldete sie selbst für einige Augenblicke auf das heftigste mit; aber vermischt mit einer beinah zornigen Ungeduld. Denn sie durchkreuzte und unterbrach wie ein störender Schrei eine Dichtung voll transzendentalen Lebens, die er eben in sich gestaltet hatte, um die Widersprüche zu versöhnen, um jene neue Gewalt zu bezwingen, die sich ihm darbot wie ein Bogen, der gespannt werden will, und zugleich um den würzigen Duft dieser üppigen Vollreife nicht zu

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