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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Wut, das Verweilen im Schmutz, die blinden Flüge, alles Schlimme und alles Gute, das was ich weiß und das was ich nicht weiß, das was du weißt und das was du nicht weißt: alles, alles gehört zur Überfülle meiner Liebesnacht.«
    Er fühlte, wie er erbleichte, dem Ersticken nahe. Die Begierde hatte ihn mit wildem Ungestüm an der Gurgel gepackt, um ihn nicht wieder loszulassen. Und sein Herz quoll über von demselben heißen Sehnen, das sie beide empfunden hatten, als sie im dämmernden Abend dahinfuhren über das Wasser, das ihnen mit rasendem Lauf fortzuströmen schien.
    Und wie so plötzlich die ins Unermeßliche gesteigerte Vision von Orten und von Vorgängen ihm entschwand, erschien das dunkelnächtige Geschöpf noch tiefer mit der von tausend grünen Gürteln umwundenen und mit ungeheurem Geschmeide geschmückten Stadt verknüpft. In der Stadt wie in der Frau erkannte er eine niemals vorher erschaute Kraft der Ausdrucksfähigkeit. Die eine wie die andere loderten in der Herbstnacht, durch die Adern wie durch die Kanäle dasselbe Fieber jagend.
    Hinter Perditas Kopf leuchteten die Sterne, wiegten sich die Bäume, dunkelte tief ein Garten. Von den offnen Balkonen wehten frische Himmelslüfte herein, bewegten die Flammen der Kandelaber und die Kelche der Blumen, strichen durch die Türen, blähten die Vorhänge auf und belebten das ganze alte Haus der Capello, in dem die letzte große Tochter San Marcos, die die Völker der Erde mit Ruhm und Gold bedeckt hatten, die Reliquien der republikanischen Herrlichkeit aufgespeichert hatte. Die Zimmer waren bis zum Übermaß angefüllt mit Galeonen, türkischen Schilden, Köchern aus Leder, bronzenen Helmen, samtenen Schabracken, die von jenem wunderlichen Cesare Darbes herstammten, der die Kunstkomödie gegen die Goldonische Reform hochgehalten und die Agonie der durchlauchtigsten Republik in einen Lachkrampf verwandelt hatte.
    »Ich verlange nichts, als dieser Idee bescheiden zu dienen« – sagte die Foscarina zu Antimo della Bella, mit leichtem Beben in der Stimme, denn Stelios Blick war dem ihren begegnet.
    »Sie allein könnten ihr zum Triumph verhelfen« – sagte Francesco de Lizo. – »Die Seele der Menge gehört Ihnen für alle Ewigkeit.«
    »Das Drama kann nichts anderes sein als ein Gottesdienst oder eine Botschaft« – entschied jetzt Daniele Glàuro. – »Die Vorstellung muß wieder feierlich werden wie eine kirchliche Handlung, die die beiden wesentlichen Elemente eines jeden Kultus in sich vereinigt: die Person, in der, auf der Szene wie vor dem Altar, das Wort eines Verkünders Fleisch und Blut wird; die Gegenwart der Menge, die stumm wie im Tempel …«
    »Bayreuth!« unterbrach ihn Fürst Hoditz.
    »Nein, der Janikulus« – rief Stelio Effrena, plötzlich aus seinem fiebernden Schweigen auffahrend – »ein römischer Hügel. Nicht aus Holz und Ziegel in Oberfranken: wir wollen ein Theater aus Marmor auf dem römischen Hügel haben.«
    Die überraschende Opposition in seinen Worten schien fast von einer leichten Geringschätzung diktiert.
    »Bewundern Sie nicht Richard Wagners Werke?« fragte mit einem flüchtigen Runzeln der Augenbrauen, das für einen Augenblick ihr verschlossenes Gesicht beinahe hart erscheinen ließ, Donatella Arvale.

    Er sah ihr in die Augen; und er fühlte, was sich da verborgen feindselig im Wesen der Jungfrau aufbäumte, und er empfand selbst gegen sie die gleiche unbestimmte Feindseligkeit. Und er sah sie wieder isoliert, ihr eigenes eng umgrenztes Leben lebend, in ein tiefgeheimstes Denken festgebannt, fremd und unverletzlich.
    »Richard Wagners Werk« – erwiderte er – »ist auf germanischem Geist begründet und von speziell nordischer Beschaffenheit. Seine Reform gleicht in gewissem Sinne der von Luther angestrebten. Sein Drama ist nichts als die feinste Blüte eines Volksstammes, als die wundervoll ergreifende Zusammenfassung all der Sehnsuchten, die die Gemüter der nationalen Musiker und Dichter quälten, von Bach zu Beethoven, von Wieland zu Goethe. Wenn Sie sich seine Musikdramen vorstellen an den Gestaden des Mittelmeeres, zwischen unsern hellen Oliven-, zwischen unsern hohen Lorbeerbäumen, unter der Glorie des lateinischen Himmels, so würden Sie sie erbleichen und vergehen sehen. Da es – nach seinem eigenen Worte – dem Künstler gegeben ist, eine noch gestaltlose Welt kommender Vollendung erglänzen zu sehen und ihrer im Wunsch und in der Hoffnung prophetisch zu genießen, so verkünde ich die

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