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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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schweigsam in die Sterne; das Campiello del Remar und das Campiello del Pistor lagen verödet, und das Gras atmete in Frieden; die Bäume, die über den Mauern der kleinen Gärtchen hingen, fühlten, wie die Blätter an den zum heiteren Himmel hochgereckten Zweigen starben.
     
    »So hat denn wenigstens für einige Stunden in Venedig der Rhythmus der Kunst und der Pulsschlag des Lebens im gleichen Takte vibriert« – sagte Daniele Glàuro, indem er seinen Kelch, an dem der heilige Deckel fehlte, erhob. – »Es sei mir gestattet, auch im Namen zahlreicher Abwesender, die Dankbarkeit auszusprechen und die inbrünstige Empfindung, die die drei Personen, denen wir dies Wunder verdanken, zu einem einzigen Bilde von Schönheit zusammenschmelzen: unsre Gastgeberin, die Tochter von Lorenzo Arvale, und der Dichter der Persephon!«
    »Warum auch die Gastgeberin, Glàuro?« – fragte lächelnd, mit anmutigem Erschrecken, die Foscarina. – »Ich habe, geradeso wie Sie, Freude empfangen, nicht gegeben. Man soll Donatella bekränzen und den Dichter. Ihnen beiden gebührt der Ruhm.«
    »Aber Ihre schweigende Gegenwart vorhin, in dem Saale des Großen Rats, dicht bei dem Himmelsglobus« – erwiderte der mystische Doktor « «war nicht minder beredt als Stelios Worte, nicht minder musikalisch als Ariadnes Gesang. Und wieder einmal haben Sie im Schweigen Ihre eigene Statue, die nun zusammen mit dem Worte und mit dem Gesang in unserer Erinnerung leben wird, gÖttergleich gemeißelt.«
    Mit geheimem, tiefinnerem Schauer sah Stelio Effrena wieder das veränderliche und unbeständige Ungeheuer vor sich, aus dessen Flanken die tragische Muse mit dem in den Sternenkreis ragenden Haupte auftauchte.
    »Das ist wahr! Das ist richtig!« – rief Francesco de Lizo. – »Ich hatte denselben Gedanken. Wer immer Sie ansah, erkannte, daß Sie der lebendige Mittelpunkt dieser idealen Weltwaren, von der jeder von uns – von uns Getreuen, von uns Nächststehenden – fühlte, daß sie aus seinem eigenen Sehnen entstand, während er dem Worte, dem Gesang und der Symphonie lauschte.«
    »Jeder von uns« – sagte Fabio Wolza – »fühlte,daß in Ihrer Gestalt, die im Angesicht des Dichters die Menge beherrschte, eine ungewohnte und grandiose Bedeutung liege.«
    »Es schien, als ob Sie allein bei der geheimnisvollen Geburt einer neuen Gedankenwelt Beistand leisteten« – sagte Antimo della Bella. – »Alles ringsum schien sich zu beseelen, um diese Gedankenwelt ins Leben zu rufen, die uns nun bald offenbart werden wird, zum Lohn dafür, daß wir sie mit so unerschütterlichem Glauben erwartet haben.«
    Der dichterische Erwecker fühlte mit einem neuen Schauer in seinem Innern die Zuckungen des Werkes, das er in sich trug, noch formlos und doch schon lebenskräftig; und seine ganze Seele drängte sich mit ungestümer Gemalt, wie übermannt von lyrischer Ergriffenheit, nach der befruchtenden und belebenden Kraft, die von dem dionysischen Weibe ausströmte, zu dem die Lobhymnen dieser begeisterten Bewunderung aufstiegen.
    Sie war mit einem Male wunderschön geworden, ein dunkelnächtiges Geschöpf, das auf goldenem Amboß von Leidenschaften und Träumen gestaltet worden, ein atmendes Bildnis unsterblicher Götter und urewiger Rätsel. Auch wenn sie unbeweglich war, auch wenn sie schwieg, schienen ihre wundervollen Töne, ihre unvergleichlichen Bewegungen um sie herum zu leben und unbestimmt zu vibrieren, wie Melodien um die Saiten, die sie wiederzugeben pflegen, wie Reime um das geschlossene Buch, in dem die Liebe und der Schmerz sie aufzusuchen pflegen, um sich daran Zu berauschen oder Trost zu finden. Antigones heroische Treue, Cassandras prophetische Raserei, Phädras verzehrendes Fieber, Medeas Wildheit, das Opfer der Iphigenie, Myrrha vor dem Vater, Polyxena und Alceste angesichts des Todes, Cleopatra, veränderlich wie Wind und Flamme, Lady Macbeth, die seherische Mörderin mit den kleinen Händen, und diese weißen Lilien ganz betaut mit Blut und Tränen, Imogen, Julia, Miranda und Rosalinda, Jessica und Perdita, die süßesten Geschöpfe und die schrecklichsten und die prachtvollsten, sie alle waren in ihr, sie bewohnten ihren Körper, sie blitzten aus ihren Augen, sie atmeten aus ihrem Mund, der den Honig kannte und das Gift, den edelsteinfunkelnden Pokal und die Schale aus Baumrinde. So schien sich, räumlich und zeitlich unbegrenzt, die gegebene Form des Stoffes und des Lebens zu erweitern und zu verewigen; und dennoch entstanden diese

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