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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Urschweigen, um das auszusprechen, was als ewiges und ewig-unsagbares im Herzen der Welt lebt.
    »Wer möchte von ihm sprechen, wenn er selbst zu uns sprechen kann?« – sagte der Dichter, verwirrt, unfähig, den wachsenden Tumult zu beherrschen, der in seinem Innern schwoll wie ein Meer von Sehnsucht.
    Und er blickte auf die Sängerin; und er sah sie, wie sie ihm während der Pause erschienen war in dem Walde der Instrumente, weiß und blutlos wie eine Statue.
    Aber der einmal heraufbeschworene Geist der Schönheit mußte sich durch sie offenbaren.
    »Ariadne!« – fügte Stelio leise hinzu, wie um sie aufzuwecken.
    Ohne zu sprechen, erhob sie sich, schritt auf eine Tür zu und ging in das Nebenzimmer. Man hörte das Rauschen ihres Kleides, den leisen Klang ihrer Schritte und das Geräusch des Klaviers, das geöffnet wurde. Alle waren stumm und gespannt. Ein musikalisches Schweigen nahm den leergebliebenen Platz in der Tafelrunde ein. Nur einmal bewegte ein Windhauch die Flammen und spielte mit den Blumen. Dann schien alles wieder unbeweglich und bangend in der Erwartung. »Laßt mich sterben!«
    Plötzlich wurden die Seelen fortgerissen von einer Gewalt, die dem blitzgleichen Adler glich, von dem Dante im Traume bis zum Feuer getragen wurde. Sie erglühten gemeinsam in der urewigen Wahrheit, sie hörten die Melodie der Welt durch ihre leuchtende Ekstase klingen.

»Laßt mich sterben!«
     
    War es wieder Ariadne, die in neuen Schmerzen weinte? Wieder Ariadne, die zu neuem Martyrium emporstieg?
»Und was sollte
Mich trösten
In so hartem Geschick,
In so bittrem Martyrium?
Laßt mich sterben!«
     
    Die Stimme schwieg; die Sängerin kam nicht wieder zum Vorscheine. Die Arie von Claudio Monteverde grub sich in die Erinnerung mit unvergänglichen Linien.
    »Gibt es irgendeinen griechischen Marmor, der es zu einer naiveren und zugleich fester umrissenen Vollendung des Stiles gebracht hätte?« – sagte Daniele Glàuro leise, als fürchte er, die musikalische Stille zu unterbrechen.
    »Aber welcher irdische Schmerz hat auch je so geweint?« – stammelte Lady Myrta, die Augen voll Tränen, die ihr über die Falten des armen blutlosen Gesichts herunterliefen, während ihre von der Gicht entstellten Hände zitterten, als sie sie trocknete.
    Der strenge Geist des Asketen und diese weiche, empfindsame, in einen alten, kranken Körper gebannte Seele legten Zeugnis ab für ein und dieselbe Kraft. So hatten vor beinahe drei Jahrhunderten in dem berühmten Theater zu Mantua sechstausend Zuhörer ihr Schluchzen nicht zurückhalten können; und die Dichter hatten an die lebendige Gegenwart Apollos auf der neuen Bühne geglaubt.
    »Hier, Baldassare« – sagte Stelio Effrena – »ist es einem Künstler unserer Rasse mit den einfachsten Mitteln gelungen, den höchsten Gipfel jener Schönheit zu berühren, der sich der Deutsche in seiner unklaren Sehnsucht nach dem Vaterlande des Sophokles nur ganz selten genähert hat.«
    »Kennst du die Klage des kranken Königs?« – fragte ihn der Jüngling mit den langen goldenen Haaren, die er wie ein Erbteil der venezianischen Sappho, der »erhabenen Gasparra«, der unglücklichen Freundin Collaltinos, trug.
    »Die ganze Qual des Amfortas ist in einer Motette, die ich kenne, ›Peccantem me quotidie‹ schon enthalten; aber mit welch' lyrischer Gewalt, mit welch' machtvoller Einfachheit! Alle Kräfte der Tragödie sind hier, ich möchte fast sagen, sublimiert, wie die Instinkte der Menge in einem heroischen Herzen. Die so viel ältere Weise Palestrinas scheint mir um ebensoviel reiner und kraftvoller.«
    »Aber der Kontrast zwischen Kundry und Parsifal im zweiten Akt, das Motiv der Herzeleide, die leidenschaftlich bewegte Violinfigur, das Motiv des Schmerzes, der frommen Weise des Liebesmahles entnommen, Kundrys Sehnsuchtsmotiv, das prophetische Thema der Verheißung, der Kuß auf den Mund des reinen Toren, der ganze qualvolle und berauschende Widerstreit zwischen Wunsch und Abscheu ...
›Die Wunde! – Die Wunde! –
Sie brennt in meinem Herzen. –
... Nun blutet sie mir selbst –‹
     
    Und über der verzweiflungsvollen Raserei der Versucherin dle Melodie der Demut:
›Laß mich an seinem Busen weinen,
Nur eine Stunde dir vereinen,
Und, ob mich Gott und Welt verstößt,
In dir entsündigt sein und erlöst!‹
     
    Und Parsifals Antwort, in der in so feierlicher Großartigkeit das Motiv des Toren wiederkehrt, der von jetzt an in den verheißenen Helden umgewandelt ist:

›In

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