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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Herankunft einer neuen, oder einer wieder erneuten Kunst, die durch die starke und ehrliche Einfachheit ihrer Linien, durch ihre kraftvolle Anmut, durch die Glut ihres Geistes, durch die reine Kraft ihrer Harmonien das ungeheure ideale Gebäude unsres auserwählten Volkes fortführen und krönen wird. Ich bin stolz darauf, ein Lateiner zu sein; und – verzeihen Sie es mir, o träumerische Lady Myrta, verzeihen Sie es mir, o sinniger Hoditz – ich erkenne in jedem Menschen von fremdem Blute einen Barbaren.«
    »Aber auch er, Richard Wagner, stammt, wenn man den Faden seiner Theorien verfolgt, von den Griechen« – sagte Baldassare Stampa, der, eben erst von Bayreuth heimgekehrt, noch ganz in der Ekstase lebte.
    »Das ist ein ungleicher und wirrer Faden« – erwiderte der Meister. – »Nichts ist so weit von der Orestiade entfernt wie die Nibelungentetralogie. Die Florentiner aus der Casa Bardi sind weit tiefer in den Geist der griechischen Tragödie eingedrungen. Ehre der Camerata des Grafen von Vernio!«
    »Ich habe immer geglaubt, die Camerata wäre eine müßige Vereinigung von Gelehrten und von Schönrednern« – sagte Baldassare Stampa.
    »Hast du das gehört?« – wandte sich Stelio an den mystischen Doktor. – »Wann hat man je auf der Welt einen glänzenderen Brennpunkt geistigen Lebens gesehen? Jene suchten im griechischen Altertum den Geist des Lebens; sie trachteten danach, alle menschlichen Kräfte harmonisch zu entwickeln, mit allen Mitteln der Kunst den ganzen Menschen zu offenbaren. Giulio Caccini lehrte, daß zur Vollendung des Musikers nicht allein Spezialkenntnisse gehören, sondern die Gesamtheit aller Dinge. Die rotblonde Haarmähne von Jacopo Peri, von Zazzerino, flammte im Gesang gleich der Apollos. In der Vorrede zur Darstellung von Seele und von Körper setzt Emilio del Cavaliere dieselben Ideen über die Bildung des neuen Theaters auseinander, die in Bayreuth zur Anwendung kamen; mit inbegriffen die Vorschriften über die vollkommene Stille, das unsichtbare Orchester und die Vorzüge des verdunkelten Raumes. Marco da Gagliano preist, gelegentlich seiner Lobrede eines festlichen Schauspiels, das Zusammenwirken aller Künste, ›derart, daß zugleich mit dem Verstande auch allen edleren Sinnen geschmeichelt wurde durch die angenehmsten Künste, die der menschliche Geist nur erfinden konnte‹ – Das genügt wohl?«
    »Bernino« – sagte Francesco de Lizo – »ließ in Rom eine Oper aufführen, für die er selbst das Theater baute, die Dekorationen malte, die zum Schmuck nötigen Statuen meißelte, die Maschinerien erfand, den Text dichtete, die Musik komponierte, die Tänze arrangierte, die Schauspieler unterwies, und in der er selbst tanzte, sang und deklamierte.«
    »Genug, genug!« – rief Fürst Hoditz lachend. – »Der Barbar ist geschlagen.«
    »Es ist noch nicht genug« – sagte Antimo della Bella. – »Den allergrößten Reformator gilt es noch zu feiern, den seine Liebe und sein Tod zum Venezianer stempeln, ihn, der ein Grabmal in der Kirche dei Frari hat, zu dem man wallfahrten sollte: den göttlichen Claudio Monteverde.«
    »Eine heroische Seele von reinster italienischer Prägung!« – stimmte verehrungsvoll Daniele Glàuro bei.
    »Er vollbrachte sein Werk im Sturm, liebend, leidend, kämpfend, allein mit seinem Glauben, mit seiner Leidenschaft, mit seinem Genius« – sagte langsam die Foscarina, wie versenkt in die Vision dieses schmerzensreichen und mutvollen Lebens, das mit seinem heißesten Herzensblute die Geschöpfe seiner Kunst genährt hatte. – »Sprechen Sie uns von ihm, Effrena.«
    Stelio erbebte, als ob sie ihn unversehens berührt hätte. Wieder hatte die schöpferische Kraft dieses offenbarenden Mundes eine ideale Gestalt aus unbeschreiblicher Tiefe heraufbeschworen, die wie aus einem Grabe vor dem Poeten erstand, Farbe und Hauch des wirklichen Lebens annehmend. Der alte Violaspieler trat vor die Versammlung, glühend und traurig im Schmerz um die verlorene Liebe, wie der Orpheus seiner Dichtung.
    Das war eine Offenbarung des Feuers, gewaltiger und blendender als die, die vorher die Lagune von San Marco entzündet hatte: eine flammende Lebenskraft, herausgestoßen aus dem innersten Schoße der Natur gegen das Bangen der Massen: ein gewaltiger Lichtgürtel, ausgeströmt von einem unterirdischen Himmel, um die geheimsten Gründe des menschlichen Willens und des menschlichen Begehrens zu durchleuchten; ein nie erhörtes Wort, aufgestiegen aus dem

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