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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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seiner Kunst, seiner Leidenschaft, verdunkelten sie. Sein Wunsch und seine Hoffnung sprach die Sprache des Barbaren. »Lachend muß ich dich lieben, – Lachend will ich erblinden; – Lachend laß uns verderben, – Lachend zugrunde gehn! – ... Leuchtende Liebe, – Lachender Tod!« – Der Jubel der kriegerischen Jungfrau auf dem von Flammen umloderten Felsen erreichte die höchste Höhe; der Schrei der Wollust und der Freiheit stieg bis zum Herzen der Sonne. Ach, was hatte er nicht ausgedrückt, welche Höhen und welche Tiefen hatte er nicht berührt, dieser furchtbare Aufwiegler der menschlichen Seele? Welche Gewalt hätte sich der seinen vergleichen können? Welcher Adler hätte hoffen können, höher zu fliegen? Das Riesenwerk war vollendet, hier, inmitten der Menschen. Und weit über die Erde klang der letzte Chor des Gral, der Heilsgesang: »Höchsten Heiles Wunder: – Erlösung dem Erlöser!« –
    »Er ist müde« – sagte Fürst Hoditz – »sehr müde und gebrochen. Darum haben wir ihn nicht im Dogenpalast gesehen. Er ist herzleidend ...«
    Der Riese wurde wieder Mensch, ein kleiner, vom Alter und vom Ruhme gebeugter Körper, abgenutzt von der Leidenschaft, ein Sterbender. Und Stelio Effrena hörte wieder in seinem Innern Perditas Worte, dle die Gondel in eine Bahre verwandelt hatten: die Worte, die einen andern großen, ebenfalls zu Tode getroffenen Künstler heraufbeschworen, Donatella Arvales Vater. »Der Name des Bogens ist Leben, und sein Werk ist der Tod.« Der junge Mann sah vor sich den vom Siege gezeichneten Weg, dle lange Kunst, das kurze Leben. »Vorwärts! Vorwärts! Immer höher und höher hinauf!« In jeder Stunde, in jedem Augenblick mußte man arbeiten, kämpfen, sich festigen gegen Zerstörung, Verkleinerung, Vergewaltigung, Ansteckung. In jeder Stunde, in jedem Augenblick muß man das Auge fest auf sein Ziel gerichtet halten, all seine Kräfte, ohne Rast und ohne Ruh', darauf verwenden. Er fühlte, daß der Sieg ihm notwendig war wie der Atem. Eine wütende Kampfeslust erwachte in diesem beweglichen lateinischen Blute bei der Berührung mit dem Barbaren. »Jetzt ist es an Ihnen, zu wollen,« hatte der am Eröffnungstage von der Bühne des neuen Theaters gerufen, »im Zukunftskunstwerk wird die Quelle der Erfindung niemals versiegen.« Die Kunst war unendlich, wie die Schönheit der Welt. Für die Kraft und für den Wagemut keine Grenze. Suchen, finden, immer weiter und weiter. «Vorwärts! Vorwärts!«
    Eine einzige, riesengroße, gestaltlose Woge ballte jetzt all das Sehnen und Bangen dieser rasenden Phantasien zusammen, drehte sich in einem Strudel herum, hob sich in einem Wirbelwind empor, schien sich zu verdichten, das Wesen der plastischen Materie anzunehmen und der gleichen unerschöpften Kraft zu gehorchen, die die Wesen und die Dinge unter der Sonne gestaltet. Eine munderbar schöne und reine Form erstand aus dieser Arbeit und lebte und leuchtete in einem kaum zu ertragenden Glück. Der Dichter sah sie, er empfing sie in seinen reinen Augen, er fühlte sie im Mittelpunkte seines Geistes wurzeln. »Ach, sie ausdrücken zu können, sie den Menschen zu offenbaren, sie für die Ewigkeit in ihrer Vollendung festzuhalten!« Ein erhabener Augenblick, ohne Wiederkehr. Alles verschwand. Das gewöhnliche Leben drehte sich im Kreise; die flüchtigen Worte klangen von weit her; die Erwartung zuckte; der Wunsch erstarb.
    Und er sah auf das Weib. Hinter Perditas Kopf erglänzten die Sterne, wiegten sich die Bäume, dunkelte ein Garten. Und die Augen der Frau sagten noch immer: »Dienen, dienen!«
     
    Die Gäste waren in den Garten hinuntergegangen und hatten sich auf den Fußwegen und unter den Laubgängen zerstreut. Die Nachtluft war feucht und lind, so daß die zarten Augenlider eine Empfindung hatten, als ob ein flüchtiger Mund sich ihnen nahe, um sie sanft zu kosen. Die versteckten Jasminblüten dufteten betäubend im Dunkel, und auch die Früchte dufteten schwerer als in den Obstgärten auf den Inseln. Eine lebendige Kraft von Fruchtbarkeit ging von diesem kleinen Stückchen blühender Erde aus, das in seinem Wassergürtel wie in ein Exil gebannt dalag. So lebt die Seele in der Verbannung ein intensiveres Leben.
    »Soll ich hier bleiben? Soll ich wiederkommen, wenn die andern gegangen sind? Sprechen Sie! Es ist spät.«
    »Nein, nein, Stelio. Ich bitte Sie! Es ist spät, zu spät. Sie haben es selbst gesagt.«
    Ein tödlicher Schrecken lag in der Stimme der Frau. Sie zitterte im

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