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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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ideale Welt versunken, mit aller Anspannung überlegend, welchen Kraftaufwandes es bedürfen werde, um sie zu offenbaren. Die Stimmen seiner Umgebung drangen wie aus weiter Ferne zu ihm.
    »Richard Wagner behauptet, daß der einzige Schöpfer eines Kunstwerks das Volk ist« – sagte Baldassare Stampa – »und daß der Künstler nur die Schöpfung des unbewußt schaffenden Volkes aufgreifen und zum Ausdruck bringen kann...«
    Das außerordentliche Gefühl, das ihn mit Staunen erfüllt hatte, als er vom Throne der Dogen zum Volke gesprochen, nahm von neuem Besitz von ihm. In die Gemeinschaft seiner Seele mit der Seele der Menge hatte sich etwas Geheimnisvolles gemischt, etwas beinahe Göttliches; das Gefühl, das er für gewöhnlich von sich selbst hatte, war unendlich größer, machtvoller geworden; eine unbekannte Kraft schien in ihm entstanden zu sein, die die Grenzen seiner Sonderpersönlichkeit verwischte und seiner einzelnen Stimme die Machtfülle eines Chores verlieh. Heimlich verborgen schlummerte also in der Menge eine Schönheit, aus der nur der Dichter und der Held Blitze ziehen konnten. Wenn diese Schönheit sich durch eine plötzliche Kundgebung offenbarte, im Theater oder auf dem Marktplatz oder im Kriegslager, dann schwoll in einem Strome von Freude das Herz dessen, der es verstanden hatte, sie durch seine Verse, seine Rede oder sein Schwert zum Leben zu erwecken. Das Wort des Dichters, zum Volke gesprochen, war also eine Tat wie das Vollbringen des Helden. Es war eine Tat, die aus dem Dunkel der begrenzten Seele mit einem Schlage Schönheit schuf, wie etwa ein wundervoller Bildhauer mit einem einzigen Griff seiner schöpferischen Hand aus einer Tonmasse eine göttliche Statue zu formen vermag. Das Schweigen, das wie ein heiliger Vorhang das vollendete Gedicht bedeckte, hörte auf. Nicht mehr durch körperlose Symbole wurde der Inbegriff des Lebens offenbart, sondern das ganze volle Leben selbst manifestierte sich in dem Dichter, das Wort wurde Fleisch, der Rhythmus beschleunigte sich in einer atemlos pochenden Form, die Idee kam in der Fülle ihrer Kraft und ihrer Freiheit zum Ausdruck.
    »Aber Richard Wagner glaubt« – sagte Fabio Molza – »daß das Volk aus all denen besteht, die ein gemeinsames Elend empfinden; verstehen Sie? ein gemeinsames Elend ...«
    ›Der Freude entgegen, der ewigen Freude entgegen!‹ dachte Stelio Effrena. ›Das Volk besteht aus all denen, die ein dunkles Bedürfnis empfinden, sich mit Hilfe der Dichtung aus dem täglichen Kerker zu erheben, in dem sie dienen und leiden.‹ Verschwunden waren die engen städtischen Theater, in deren erstickender, mit unsauberen Dünsten geschwängerter Hitze die Schauspieler vor einem Haufen von Schlemmern und Dirnen das Amt des Spaßmachers versehen. Auf den Stufen des neuen Theaters sah er die wirkliche Volksmenge, die ungeheure, einmütige Menge, deren Witterung vorher zu ihm aufgestiegen war, deren Lärmen er vorher gehört hatte in der marmornen Muschel, unter den Sternen. In den rohen und unwissenden Seelen hatte seine Kunst, obwohl unverstanden, vermöge der geheimnisvollen Macht des Rhythmus einen gewaltigen Aufruhr gezeugt, ähnlich dem des Gefangenen, der im Begriff ist, von harten Fesseln befreit zu werden. Das Glück der Befreiung verbreitete sich nach und nach selbst bei den Verworfensten; durchfurchte Stirnen hellten sich auf; Münder, an Flüche gewöhnt, öffneten sich dem Wunder, und die Hände endlich – die rauhen, durch Arbeitswerkzeuge abgenutzten Hände – sie streckten sich in einmütiger Bewegung nach der Heldin, die ihren unsterblichen Schmerz hinauf zu den Sternen sandte.
    »In der Existenz eines Volkes, wie des unsrigen« – sagte Daniele Glàuro – »zählt eine große Kundgebung der Kunst weit mehr als ein Bündnisvertrag oder ein Steuergesetz. Das, was unsterblich ist, gilt mehr, als was vergänglich ist. Die List und Kühnheit eines Malatesta sind für alle Ewigkeit in eine Medaille des Pisanello eingeschlossen. Von Macchiavellis Politik ist nichts übrig geblieben als die Kraft seiner Prosa ...«
    ›Das ist wahr,‹ dachte Stelio Effrena, ›das ist wahr. Italiens Glück ist unzertrennlich von dem Schicksal der Schönheit, deren Mutter es ist.‹ So erglänzte ihm jetzt wie hereinbrechende Sonne die leuchtende Wahrheit über jenes göttliche, ideale und ferne Vaterland, in dem Dante einst wandelte. ›Italien! Italien!‹ Wie ein Schrei der Erhebung brauste über seine Seele dieser Name, der die

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