Feuer (German Edition)
Erde berauscht. Sollte sich aus dem mit so viel Heldenblut gedüngten Schutt die neue Kunst nicht erheben können, wurzelstark, mit kräftigen Zweigen? Sollte sie nicht all die latenten Kräfte der altererbten Fähigkeiten der Nation in sich aufnehmen können und eine bestimmende, neuaufbauende Macht im dritten Rom werden, um den Männern an der Regierung die Unwahrheiten zu weisen, die sie zur Richtschnur für jedes neue Grundgesetz nehmen müßten? Treu den alten Instinkten seiner Rasse, hatte Richard Wagner das Sehnen der germanischen Völker nach der heroischen Größe des Reiches vorgefühlt und hatte ihm seine Kraft geliehen. Er hatte die prachtvolle Gestalt Heinrichs des Voglers heraufbeschworen, wie er sich unter der tausendjährigen Eiche erhebt: »Was deutsches Land heißt, stelle Kampfesscharen – dann schmäht wohl niemand mehr das deutsche Reich!« – Bei Sadowa, bei Sedan hatten die Kampfesscharen gesiegt. Das Volk und der Künstler hatten mit demselben Ungestüm, mit derselben Ausdauer das glorreiche Ziel erreicht. Derselbe Sieg hatte das Werk des Eisens und das Werk der Kunst gekrönt. Der Dichter hatte, wie der Held, einen Akt der Befreiung vollbracht. Seine musikalischen Gestalten hatten geradeso dazu beigetragen, die Volksseele zu begeistern und ihr Ewigkeit zu verleihen, wie der Wille des Reichskanzlers, wie das Blut des Soldaten.
»Er ist schon seit einigen Tagen hier, im Palazzo Vendramin- Calergi« – sagte Fürst Hoditz.
Und das Bild des barbarischen Schöpfers bekam plötzlich Leben, die Züge seines Gesichts wurden sichtbar, die blauen Augen glänzten unter der geräumigen Stirn, und die von Sinnlichkeit, Stolz und Verachtung umspielten Lippen schlossen sich fest über dem kräftigen Kinn. Sein kleiner, vom Alter und vom Ruhm gebeugter Körper richtete sich auf, wuchs mit seinem Werke ins Gigantische, nahm das Aussehen eines Gottes an. Sein Blut strömte wie ein Sturzbach im Gebirge, sein Atem wehte wie der Wind im Walde. Mit einem Male überflutete ihn Siegfrieds Jugend, sie ergoß sich, sie leuchtete in ihm, wie die Morgenröte in einer Wolke. »Dem Impulse meines Herzens folgen, meinem Instinkte gehorchen, der Stimme der Statur in mir lauschen: Das ist mein oberstes, mein einziges Gesetz!« Das Heroenwort klang wieder, aus der Tiefe hervorbrechend, den jungen und gesunden Willen ausdrückend, der in steter Harmonie mit den Gesetzen des Weltalls über alle Hindernisse und Feindschaften siegreich triumphiert. Und nun stieg die feurige Lohe, die Wotan mit seines Speeres Spitze dem Felsen entlockt, rund herum empor. »Ha, wonnige Glut! – Strahlend offen – steht mir die Straße. – Im Feuer mich baden! – Im Feuer zu finden die Braut!« - Alle Vorstellungen des Mythos leuchteten auf, verdunkelten sich. Brünnhildes Flügelhelm blitzte in der Sonne. »Heil dir, Sonne! »- Heil dir, Licht! – Heil dir, leuchtender Tag! – Lang' war mein Schlaf; – Wer ist der Held, – der mich erweckt?« – Alle Vorstellungen taumelten durcheinander, lösten sich auf. Plötzlich erstand von neuem, auf schattigem Gefilde, Donatella Arvale, die Jungfrau, so wie sie da unten erschienen war in dem Purpur und Gold des unermeßlichen Festsaales, die Feuerblume mit der Gebärde der Herrscherin tragend. »Siehst du mich nicht? – Wie mein Blick dich verzehrt,– Erblindest du nicht? – Wie mein Arm dich preßt, – Entbrennst du nicht? – Fürchtest du nicht – Das wildwütende Weib?« – Jetzt, da sie abwesend war, gewann sie wieder ihre traumhafte Macht. Unendliche Melodien schien das Schweigen zu gebären, das ihren leer gebliebenen Platz in der Tafelrunde eingenommen hatte. Ihr verschlossenes Gesicht barg ein unlösliches Geheimnis. »So berühre mich nicht, – Trübe mich nicht: – Ewig licht – Lachst du aus mir, – Dann selig selbst dir entgegen; – Liebe – Dich, – Und lasse von mir!« – Wieder packte eine leidenschaftliche Ungeduld den Erwecker, wie auf dem fiebernden Wasser, und er fand, daß die Abwesende dazu geschaffen war, wie ein schöner Bogen gespannt zu werden von starker Hand, die es verstünde, sich damit zu einer erhabenen Eroberung zu wappnen. »Erwache – Wache, du Maid! – Lebe und lache, – Süßeste Lust! – Sei mein! sei mein! sei mein!« –
Sein Geist war unwiderstehlich hingerissen in den Kreislauf dieser von dem germanischen Gotte geschaffenen Welt, diese Visionen und Harmonien überwältigten ihn, die Figuren des nordischen Mythos verdrängten die
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