Feuer (German Edition)
Dunkel, mit entblößten Schultern, mit entblößten Armen, und sie wollte sich verweigern und wollte besessen werden, und sie wollte sterben und wollte von diesen männlichen Händen gepackt werden. Sie bebte; die Zähne in ihrem Munde schlugen aufeinander. Sie versank in einem eisigen Strome; er flutete über sie hinweg und machte sie erstarren von den Haarwurzeln bis in die Fingerspitzen. Alle ihre Gelenke schmerzten sie, ihre Glieder schienen sich zu lösen,und ihre Stimme erstarb vor Entsetzen in den erstarrten Kiefern. Und sie wollte sterben, und sie wollte von dieser männlichen Leidenschaft gepackt und niedergeworfen werden. Und über ihrem Entsetzen und über ihrer Eiseskälte und über ihrem der Jugend baren Fleische schwebte jenes grausame Wort, das der Geliebte selbst gesprochen, und das sie selbst wiederholt hatte: »Es ist spät, zu spät.«
»Ihr Versprechen, Ihr Versprechen! Ich will nicht länger warten, ich kann nicht, Perdita.«
Das wollüstige Wasserbecken, das dagelegen wie ein Busen, der sich anbietet, die in Schatten und Tod verlorene Lagune, die im Fieber der Dämmerung glühende Stadt; das in unsichtbaren Wirbeln dahinflutende Wasser, der vibrierende Goldton des Himmels; das erstickende Sehnen, die zusammengepreßten Lippen, die gesenkten Augenlider, die heißen Hände: Das alles erstand in seiner ganzen Fülle neu bei der Erinnerung an das stumme Versprechen. Er begehrte diesen abgrundtiefen Körper mit einer wilden Glut.
»Ich kann nicht länger warten.«
Von weit, weit her kam ihm diese schwüle Glut; von den entferntesten Anfängen, von der ursprünglichen Bestialität der plötzlichen Vermischungen, vom uralten Mysterium der heiligen Bacchanalien. Wie der von Gott ergriffene Schwarm, Bäume entwurzelnd, den Berg herunterstürmte, mit immer blinderer Wut weiter raste, immer neue Rasende mit sich riß und den Wahnsinn überall auf seinem Wege verbreitete, bis er zu einer ungeheuren menschlichen und bestialischen Masse geworden war, die von einem ungeheuerlichen Willen beseelt wurde: so riß der brutale Instinkt, in maßlosem Aufruhr tn ihm brausend und kochend, alle Vorstellungen seines Geistes in seinen Wirbel. Und er begehrte in der wissenden und verzweifelten Frau diejenige, die durch die ewige Unterdrückung ihrer Natur gebrochen, die bestimmt war, in den plötzlichen Zuckungen ihres Geschlechts zu unterliegen, die das Fieber, das im Lichte der Bühne sie brannte, in nächtlicher Wollust löschte, die brünstige Schauspielerin, die aus den Delirien der Menge in die Gewalt des Mannes überging, das dionysische Geschöpf, das wie in der Orgie den geheimnisvollen Gottesdienst mit dem Akt des Lebens krönte.
Seine Begierde war krankhaft, maßlos; sie enthielt das Leben der besiegten Massen und den Rausch der unbekannten Liebhaber und die Vision orgiastischer Vermischungen; sie war aus Grausamkeit, Groll, Eifersucht, Poesie und Stolz gemischt. Er empfand es schmerzlich, daß er die Schauspielerin niemals nach einem großen Triumph auf der Bühne besessen hatte, noch warm von dem Hauche des Publikums, schweißbedeckt, keuchend und bleich, mit den Spuren der tragischen Seele, die in ihr geweint und geschrien hatte, auf dem verzogenen Gesichte noch die feuchten Tränen dieser ihr fremden Seele. Wie in einem Blitze sah er sie hingestreckt, voll von jener Kraft, die dem Ungeheuer das Geheul entrissen hatte, zuckend wie die Mänade nach dem Tanze müde und dürstend, aber voller Begierde, genommen und durchrüttelt zu werden, sich in einem letzten Krampfe zusammenzuziehen, in gewaltsamer Umarmung zu erliegen, um endlich in tiefem, traumlosem Schlaf Ruhe zu finden. – Wieviele Männer waren wohl aus der Menge herausgestiegen, um sie zu umarmen, nachdem sie, in der Masse verloren, nach ihr geschmachtet hatten? Ihr Wunsch war aus dem Wunsche von Tausenden zusammengesetzt, ihre Lebenskraft war tausendfältig. Es drang mit der Wollust dieser Nächte etwas von dem trunkenen Volke, von dem verzauberten Ungeheuer, in den Schoß der Schauspielerin.
»Seien Sie nicht grausam, oh, seien Sie nicht grausam!« – flehte die Frau, die den Tumult in seinen Augen las, in seiner Stimme hörte. – »Oh, tun Sie mir nichts zuleide!«
Unter dem gierigen Blicke des Mannes zog sich ihr Fleisch zusammen in dem Abwehren einer schmerzlichen Scham. Sein Wunsch traf sie wie eine tödliche Verwundung. Sie wußte, wieviel Herbes und Unreines in diesem plötzlichen Begehren war, und für wie tief vergiftet und
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