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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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körperliche Form, undurchdringliches, dumpfes Fleisch, den schweren Kerker des Menschen, sondern eine Seele, die sich in einer Folge von Erscheinungen, ausdrucksvoll wie Musik, offenbart hatte, ein über alle Grenzen zartes und mächtiges Empfindungsvermögen, das in dieser Hülle in stetem Wechsel die keusche Hinfälligkeit der Blume schuf, und die Kraft des Marmors, und die Wucht des Blitzes, und jeden Schatten und jedes Licht. – »Stelio!«
    Sie hatte den Namen unendlich leise hingeflüstert; und doch lag in diesem sterbenden Hauch aus den bleichen Lippen eine Unendlichkeit von Jubel und von Staunen, mehr als im lautesten Schrei. Sie hatte die Liebe gehört in dem Tone des Mannes: die Liebe, die Liebe! Sie, die so oft seinen schönen und klingenden Worten gelauscht hatte, die in klaren Tönen dahinfluteten, und die darunter gelitten hatte wie unter einer Marter und einem Spiel, sie sah jetzt durch diesen neuen Ton plötzlich ihr eigenes Leben und das Leben des Alls in verklärtem Lichte. Ihre Seele schien sich umzuwandeln: jedes Hemmnis sank auf den Grund, verschwand in einem endlosen Dunkel; und in die Höhe stieg etwas Leichtes und Lichtes, etwas Freies und Reines, das sich ausbreitete und leuchtete wie ein morgendlicher Himmel. Und wie die Woge des Lichtes in stummer Harmonie vom Horizonte zum Gipfel aufsteigt, so glitt die Vorstellung des Glückes um ihren Mund. Ein unbeschreibliches Lächeln verbreitete sich über ihn, ganz unbeschreiblich, so daß ihre Lippen zitterten wie Blätter im Windhauch, und ihre Zähne glänzten wie Jasmin im Sternenlicht.
    »Alles ist versunken, alles ist verschwunden. Ich habe nicht gelebt, ich habe nicht geliebt, ich habe nicht genossen, ich habe nicht gelitten. Neu bin ich geboren. Ich kenne nichts als diese Liebe. Ich bin rein. Ich möchte sterben in der Wollust, die mich erwecken wird. Die Jahre und die Ereignisse sind über mich hingegangen, ohne den Teil meiner Seele zu berühren, den ich dir aufbewahrt habe, jenen geheimen Himmel, der sich jetzt plötzlich geöffnet und jeden Schatten besiegt hat, und der einzig da ist, um die Kraft und die Süße deines Namens aufzunehmen. Deine Liebe rettet mich; mein volles Liebesumfangen läßt dich Gottheit erlangen ...« Worte süßen Rausches stiegen auf aus ihrem befreiten Herzen, aber ihre Lippen wagten nicht, sie auszusprechen. Und sie lächelte, lächelte schweigend, mit ihrem unbeschreiblichen Lächeln. »Ist es nicht so? Sprechen Sie! Antworten Sie mir, Perdita! Fühlen nicht auch Sie diese Notwendigkeit, die stark ist von all unseren Entsagungen, von der ganzen Beständigkeit unserer Erwartung der verheißenen Stunde? Ach, mir scheint, Perdita, daß meine Hoffnungen und meine Ahnungen nichts mehr zu bedeuten hätten, wenn diese Stunde nicht wäre. Sagen Sie es mir, daß Sie das Morgenrot nicht mehr erleben könnten ohne mich, wie ich es nicht könnte ohne Sie! Antworten Sie mir!«
    »Ja, ja ...«
    Rückhaltlos gab sie sich in dieser einen, schwachen Silbe. Ihr Lächeln erlosch; der Mund wurde schwer und gewann in dem bleichen Gesicht einen beinahe harten Umriß, als ob er vom Durst gepeinigt würde, unersättlich und geschaffen, an sich zu ziehen, zu nehmen, zu behalten. Und der ganze Körper, der im Schmerz und im Entsetzen hinsterben zu wollen schien, richtete sich auf, als ob ihm ein neues Knochengerüst erwüchse und gewann seine fleischliche Macht zurück und wurde von einer stürmischen Flut durchwogt; er wurde von neuem begehrenswert und unrein.
    »Wir wollen nicht länger zaudern. Es ist spät!«
    Er zitterte vor Ungeduld. Die Raserei gewann wieder die Oberhand in ihm; das Verlangen packte ihn wieder mit Tigerkrallen an der Gurgel.
    »Ja« – wiederholte die Frau, aber mit ganz verändertem Ausdruck, Auge in Auge mit ihm, verlangend und gebieterisch, als ob sie jetzt sicher wäre, den Liebestrank zu besitzen, der ihn endgültig an sie fesseln sollte.
    Er fühlte sein Herz von der ganzen Wollust durchdrungen, die diesem erfahrenen Fleisch zu eigen war. Er sah sie an und erbleichte, als ob sein Blut zur Erde niederströme, um die Wurzeln der Bäume zu tränken, im Traume, außerhalb der Zeit, er allein mit ihr.
    Sie stand unter dem mit goldenen Ketten geschmückten und mit Früchten schwer beladenen Baum, und von all ihren Gliedern strömte ein Fieber aus, wie von den Lippen der Atem strömt. Dieselbe Schönheit, die sie plötzlich an der Tafelrunde durchglüht hatte und die aus tausend geistigen Kräften bestand,

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