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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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neuem in trüber Glut entzündete. Sie fühlte, daß ihre Augenlider ihren Pupillen wehe taten, je länger sie blickte, und daß ihr Blick ihre Wimpern versengte, und daß das unheilbare Übel durch die Augen in sie eindrang und sich über ihren ganzen verblühten Korper verbreitete. Verloren, verloren! sie war fortan verloren, ohne Rettung!
    »Sterben?« – sagte ihr Freund schwach, ohne die Augen zu öffnen, ohne sich zu bewegen, wie aus der Tiefe seiner Melancholie und seines Traumerwachens.
    Sie bemerkte, daß die kleine blutrote Wunde unterhalb der Lippe sich beim Sprechen bewegte.
    »Ehe du mich hassest ...«
    Er öffnete die Augen, richtete sich auf und streckte die Hände nach ihr aus, als wolle er sie verhindern, fortzufahren.

    »Ach, warum quälst du dich?«
    Er sah sie an; sie war leichenfahl, die Wangen mit den aufgelösten Haarsträhnen bedeckt, verstört, als ob ein Gift ihre Kräfte aufriebe, zusammengefallen, als ob durch das Fleisch hindurch ihre Seele gebrochen wäre, zitternd und elend.
    »Was machst du aus mir? Was machen wir aus uns?« fragte die Frau angstgequält.
    Sie hatten gekämpft, Mund an Mund, Herz an Herz, wie in einem Handgemenge hatten sie sich vereinigt; in ihrer Umarmung hatten sie die Witterung des Blutes gespürt. Plötzlich hatten sie in einem Taumel der Begierde nachgegeben, wie in einer blinden Wut, sich zu zerstören. Er hatte ihren Leib geschüttelt, als wollte er ihn mitsamt seinen innersten Wurzeln ausrotten. In der Liebesraserei hatten sie die Schärfe ihrer Zähne in ihren grausamen Küssen gefühlt.
    »Ich liebe dich.«
    »Nicht so, nicht so will ich geliebt werden ...«
    »Du quälst mich, plötzlich packt die Leidenschaft mich...«
    »Es ist wie Haß...«
    »Nein, nein, sag' das nicht!«
    »Du schüttelst mich und rasest, als ob du mich zugrunde richten wolltest...«
    »Du machst mich toll und blind. Ich weiß von nichts mehr.«
    »Was bringt dich so außer Fassung? Was siehst du in mir?«
    »Ich weiß es nicht; ich weiß es nicht, was es ist.«
    »Ich weiß es.«
    »Quäl' dich nicht. Ich liebe dich. Es ist die Liebe...«
    »Die mich verdammt. Ich muß daran zugrunde gehen. Gib mir noch einmal den Namen, den du mir gegeben hast!«
    »Du bist mein; ich besitze dich. Ich werde dich nicht verlieren.«
    »Du wirst mich verlieren.«

    »Aber warum? Ich verstehe dich nicht. Welcher Wahnsinn packt dich? Ist es mein Wunsch, der dich verletzt? Aber du, wünschest du mich denn etwa nicht? Bist du nicht von derselben Wut gestachelt mich zu besitzen, von mir besessen zu werden? Deine Zähne schlagen zusammen, ehe ich dich noch berühre ...« Unachtsam verletzte er sie noch tiefer, schärfte er noch die Wunde. Sie bedeckte das Gesicht mit den Handflächen. Ihr Herz klopfte gegen die erstarrte Brust wie ein Hammer, dessen harte Schläge sie ganz oben in ihrem Schädel zurückprallen fühlte.
    »Sieh her!«
    Er berührte die schmerzende Stelle an der Lippe, drückte die Hand auf die kleine Wunde und streckte seine von einem Tröpfchen Blut gefärbten Finger der Frau entgegen.
    »Du hast mich gezeichnet. Du hast gebissen wie ein reißendes Tier ...«
    Plötzlich sprang sie auf, sich windend, als ob er sie mit einem glühenden Eisen gemartert hätte. Mit weitgeöffneten Augen starrte sie ihn an, als ob sie ihn mit den Blicken verschlingen wollte. Ihre Nasenflügel bebten. Eine furchtbare Kraft regte sich in ihrem Schoße. Ihr ganzer vibrierender Körper war wie nackt unter dem Obergewande, als ob keine Falten mehr ihm anhafteten. Ihr Gesicht, das sich aus den Handflächen wie aus einer verhüllenden Maske gelöst hatte, brannte in düsterer Glut, wie ein Feuer ohne Strahlen. Sie war wunderbar schön, schrecklich und bejammernswert.
    »Ach, Perdita, Perdita!«
    Nie, nie, niemals wird es dieser Mann vergessen, wie die verkörperte Wollust auf ihn zuschritt und auf ihn eindrang, wie sie gleich einer stummen, rasenden Woge an seine Brust stürzte, ihn umwand und ihn einsog, so daß er für einige Augenblicke die Furcht und die Freude empfand, einer göttlichen Gewalt zu unterliegen, sich in einer Art heißer, tödlicher Feuchte aufzulösen, als ob der ganze Körper der Frau plötzlich die Eigenschaft eines saugenden Mundes empfangen hätte, der ganz und gar von ihm Besitz ergriffe.
    Er schloß die Augen, er vergaß die Welt, den Ruhm. Abgrundtiefer, heiliger Schatten verbreitete sich in ihm, wie in einem Tempel. Sein Geist war umschleiert und unbeweglich,aber all seine Sinne strebten

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