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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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widersprechen.
    »Entsetzen!« wiederholte sie deutlicher, unerbittlich gegen sich selbst; denn sie hatte jetzt ihre Furcht besiegt und ihren Mut gestählt.
    Sie standen beide im Angesicht der Wahrheit, mit ihren bebenden, nackten Herzen.
    Das Weib sprach ohne Schwäche.
    »Das erstemal war es da unten, im Garten, in jener Nacht ... Ich weiß, was du in mir sahst: den ganzen Schmutz, über den ich geschritten bin, die ganze Schande, die ich erlebt habe, die ganze Unreinheit, die mir Schauder eingeflößt hat ... Ach, die Visionen, die dein Fieber zu rasender Glut anfachten, hättest du nicht eingestehen können! Du hattest grausame Augen und einen krampfhaft verzerrten Mund. Als du merktest, daß du mich verwundetest, da hattest du Mitleid ... Aber dann ... aber dann ...«
    Sie hatte sich mit glühender Röte bedeckt, ihre Stimme hatte einen leidenschaftlichen Klang angenommen, und ihre Augen glänzten.
    »Jahre und Jahre hindurch von meinem Besten ein Gefühl grenzenloser Hingebung und Bewunderung genährt zu haben, aus der Nähe und aus der Ferne, in der Freude und in der Traurigkeit; mit dem Ausdruck reinster Dankbarkeit jede den Menschen dargebrachte Tröstung Ihrer Poesie hingenommen und voll Sehnsucht neue, immer erhabenere, immer trostreichere Gaben erwartet zu haben; an die gewaltige Kraft Ihres Genius geglaubt zu haben von Anbeginn an, und niemals die Augen von Ihrem Ausstieg abgewendet, ihn mit einem feierlichen Gelübde begleitet zu haben, das Jahre hindurch gleichsam mein Morgen- und Abendgebet war; schweigend und glühend unaufhörlich daran gearbeitet zu haben, meinem Geiste Schönheit und Harmonie zu verleihen, damit er weniger unwürdig wäre, sich dem Ihren zu nahen; so oft auf der Bühne, vor einem hingerissenen Publikum, mit innerem Schauer ein unsterbliches Wort gesprochen zu haben, jener Worte gedenkend, die vielleicht Sie eines Tages durch meinen Mund der Menge könnten künden lassen; ohne Rast gearbeitet, immer und immer versucht zu haben, zu einer einfacheren, mehr verinnerlichten Kunst zu gelangen, ohne Unterlaß nach der Vollkommenheit gestrebt zu haben, aus Furcht, Ihnen nicht zu genügen, Ihrem Traume zu wenig zu gleichen; meinen flüchtigen Ruhm nur deshalb geliebt zu haben, weil er eines Tages dem Ihren dienstbar werden könnte; mit der Inbrunst des unerschütterlichsten Glaubens Ihre neuen Offenbarungen geschürt zu haben, um mich als ein Werkzeug Ihres Sieges anzubieten, vor meinem Niedergang; und gegen alles und gegen jeden diese Ideale meiner verborgenen Seele verteidigt zu haben, gegen alle und auch gegen mich selbst, am tapfersten sogar und am härtesten gegen mich selbst; aus Ihnen meine Schwermut gemacht zu haben, meine starke Hoffnung, meine tapferste Prüfung, das Wahrzeichen alles dessen, was gut, stark und frei ist, ach, Stelio, Stelio ...«
    Sie hielt einen Augenblick inne, erstickt von der Überfülle, von der Erinnerung wie von einer neuen Schmach gekränkt.
    »... um zu dieser Morgenstunde zu gelangen, um Sie so von meinem Hause fortgehen zu sehen, in dieser fürchterlichen Morgenstunde!«
    Sie wurde totenblaß, alles Blut wich aus ihrem Gesicht.
    »Erinnerst du dich daran?«
    »Glücklich war ich, glücklich, glücklich!« – schrie er ihr zu, mit erstickter Stimme, bis ins Innerste erschüttert.
    »Nein, nein... Erinnerst du dich nicht? Du standest von meinem Bett auf wie vom Bett einer Courtisane, gesättigt, nach einigen Stunden ungestümer Lust...«
    »Du täuschest dich, du täuschest dich!«
    »Bekenne! Sprich die Wahrheit! Einzig durch die Wahrheit können wir uns noch retten.«
    »Ich war glücklich, mein ganzes Herz war geöffnet, ich träumte und hoffte, ich fühlte mich wie neugeboren ...«
    »Ja, ja, glücklich, aufzuatmen, dich frei zu wissen, dich in der frischen Luft und im Tageslichte noch jung zu fühlen. Ach, du hattest deinen Liebkosungen zu viel Bitternis beigemischt, deiner Lust zu viel Gift. Was sähest du in ihr, die so oft mit ihrer Entsagung tödlich gerungen hatte – und du weißt es – ja, tödlich gerungen lieber, als daß sie das Verbot übertreten hätte, das notwendig war für den Traum, den sie mit sich trug auf ihren endlosen Irrfahrten durch die Welt? Sprich: was sahest du in ihr, außer dem verdorbenen Geschöpf, der Beute der Wollust, dem Rückstand abenteuerlicher Liebschaften, der vagabundierenden Schauspielerin, die in ihrem Bette, wie auf der Bühne, allen gehört und niemandem ...«
    »Foscarina! Foscarina!«
    Er stürzte sich

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