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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Heilkraft verliehen hatte, als er ihr die verzweifelten Augen zudrückte. Sein Instinkt gab ihm nichts ein, als sinnliche Gebärden, Liebkosungen, die die Seele zum Schweigen bringen die und Gedanken verwirren.
    Er zögerte und betrachtete sie. Sie verharrte in derselben Stellung, gebückt, das Kinn auf die Hand gestützt, mit gerunzelter Stirn. Die Glut beleuchtete, hell aufflammend, ihr Gesicht und ihre Haare; es lag etwas Wildes in dem natürlichen Fall und in dem rötlichen Reflex ihrer Haare, die von den Schläfen in dichtem Gelock herunterwallten, etwas Ungebändigtes und Gewalttätiges, das an die Flügel von Raubvögeln erinnerte.
    »Was siehst du?« – fragte sie, seinen forschenden Blick fühlend. – »Entdeckst du ein weißes Haar?«
    Er ließ sich auf die Knie vor ihr nieder, nachgiebig, liebkosend.
    »Ich sehe dich schön. Immer wieder entdecke ich etwas Neues an dir, Foscarina, das mir gefällt. Ich betrachtete den wundervollen Fall deiner Haare, den nicht der Kamm, sondern das Ungewitter zuwege gebracht hat.«
    Er griff mit seinen sinnlichen Händen in das dichte Gelock. Sie schloß die Augen, von der Eiseskälte gepackt, von jener fürchterlichen Macht überwältigt; sie war sein, wie ein Ding, das man in der Faust hält, wie ein Ring am Finger, wie ein Handschuh, wie ein Kleid, wie ein Wort, das gesprochen oder verschwiegen werden kann, ein Wein, den man austrinkt oder auf die Erde schüttet.
    »Ich sehe dich schön. Wenn du so die Augen schließest, fühle ich dich mein bis in die letzte, letzte Tiefe, mein, in mir, wie die Seele im Körper ist; ein einziges Leben, meines und deines ... ach, ich kann dies nicht sagen ... In mir erbleicht dein Gesicht... Ich fühle es, wie die Liebe aussteigt, aufsteigt, in alle deine Adern, in deine Haare; ich sehe sie unter deinen Augenlidern hervorbrechen... Wenn deine Augenlider zucken, habe ich die Empfindung, als poche mein Blut in demselben Rhythmus, und als berühre der Schatten deiner Wimpern mein innerstes Herz ...«
    Sie lauschte im Dunkeln, in das mit dem lebendigen Wortgefüge die Glut des aufzuckenden Feuers zu ihr drang, und von Zeit zu Zelt kam es ihr vor, als ob diese Stimme weit entfernt wäre und gar nicht zu ihr spräche, sondern zu einer andern, und als belausche sie versteckt ein Liebes-Zwiegespräch, und als würde sie von Eifersucht zerrissen und von Blitzen eines mörderischen Willens durchzuckt, als hätte ein Geist blutiger Rache von ihr Besitz ergriffen, und als ob trotzdem ihr Körper reglos bliebe und ihre Hände gelähmt, ohnmächtig, in unbeweglicher Starrhett herunterhingen.
    »Du bist meine Wollust und bist mein Erwachen. In dir lebt eine weckende Kraft, deren du dir selber unbewußt bist. Die einfachste Handlung von dir genügt, um mir eine bis dahin unbekannte Wahrheit zu offenbaren. Und die Liebe ist wie die Erkenntnis: je mehr Wahrheiten sie enthüllt, um so leuchtender wird sie. Warum, o warum grämst du dich? Nichts ist zerstört, nichts ist verloren. Wir mußten uns vereinigen, wie wir uns vereinigt haben, um gemeinsam der Freude entgegenzugehen. Es war notwendig, daß ich frei und glücklich im Vollbesitz deiner ganzen Liebe war, um das schöne Werk zu schaffen, das von so vielen erwartet wird. Ich bedarf deines Glaubens, lch habe das Bedürfnis, zu genießen und zu schaffen ... Deine bloße Gegenwart schon genügt, um meinem Geist eine unermeßliche Fruchtbarkeit zu verleihen. Vorher, als du mich in deinen Armen hieltest, habe lch plötzlich durch das Schweigen einen Strom von Musik, eine Flut von Melodien wogen hören ...«
    Mit wem sprach er? Von wem begehrte er Freude? Galt sein musikalisches Bedürfnis nicht ihr, die da sang und mit ihrem Gesang das Weltall umgestaltete? Von wem, wenn nicht von ihrer frischen Jugend, von ihrer unberührten Jungfräulichkeit, konnte er begehren, zu genießen und zu schaffen? Während sie ihn in ihren Armen hielt, sang die andere in ihm! Und nun, und nun? zu wem sprach er, wenn nicht zu der andern? Nur die andere konnte ihm geben, was für seine Kunst und für sein Leben notwendig war. Die Jungfrau war eine neue Kraft, eine unerschlossene Schönheit, eine Waffe, die noch nicht gezückt war scharf und prachtvoll tauglich für den Rausch des Kampfes. O Verhängnis! Furchtbares Verhängnis!
    Ein mit Zorn vermischter Schmerz quälte die Frau in dieser vibrierenden, zeitweilig unterbrochenen Dunkelheit, aus der sie nicht aufzutauchen wagte. Sie litt, als läge sie im Banne eines Alpdrucks.

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