Feuer (German Edition)
auf sie, er schloß ihren Mund mit zitternden Händen, erschüttert, entsetzt.
»Nein, nein, sprich nicht weiter! Schweig! Du bist toll, du bist toll ...«
»O Grauen!« – murmelte sie, rücklings in die Kissen fallend, als ob sie das Bewußtsein verlöre, erschöpft von dem leidenschaftlichen Ungestüm, aschgrau von der Flut von Bitterkeit, die vom Grunde ihres Herzens aufstieg.
Aber ihre Augen blieben starr und weit geöffnet, unbeweglich wie zwei Kristalle, hart, als ob sie ohne Wimpern wären, fest auf ihn gerichtet. Sie nahmen ihm die Fähigkeit zu sprechen: die Wahrheit, die sie entdeckt hatten, zu leugnen oder zu mildern. Nach einigen Augenblicken wurden sie ihm unerträglich. Er schloß sie mit seinen Fingern, wie man die Augen der Toten schließt. Sie sah seine Bewegung, die voll unendlicher Schwermut war, sie fühlte auf ihren Lidern die Finger, die sie berührten, wie nur Liebe und Mitleid zu berühren wissen. Die Bitterkeit schwand,der schmerzliche Krampf löste sich; die Wimpern wurden feucht. Sie streckte die Arme aus, schlang sie um seinen Hals, und sich an ihm stützend, richtete sie sich ein wenig auf. Sie schien sich ganz in sich zusammenzuziehen, wieder leicht und schwach zu werden, voll schweigenden Flehens.
»So muß ich also gehen!« – seufzte sie mit einer Stimme, die feucht von inneren Tränen war. – »Gibt es keinen Ausweg? Gibt es keine Vergebung?«
»Ich liebe dich« – sagte der Geliebte.
Sie machte einen Arm frei und streckte die offene Hand nach dem Feuer aus, wie zu einer Beschwörung. Dann umschlang sie ihn wieder eng.
»Ja, noch für kurze Zeit, noch für kurze Zeit! Laß mich noch bei dir bleiben! Dann will ich gehen, dann will ich sterben, weit fort, dort unten, unter einem Baum, auf einem Stein. Laß mich noch ein wenig bei dir bleiben!«
»Ich liebe dich« – sagte der Geliebte.
Es schien, als ob die blinden und ungebändigten Kräfte des Lebens über ihren Häuptern, über ihrer Umarmung dahinwirbelten; sie empfanden ihre vernichtende Gewalt und preßten sich um so fester aneinander, und aus der Umschlingung der beiden Körper erwuchs für ihre Seelen ein Glück und eine entsetzliche Pein, die so vermischt und verschmolzen waren, daß sie nicht mehr zu trennen schienen. Die Stimme der Elemente sprach in der Stille eine dunkle Sprache, die wie eine unverstandene Antwort auf ihre stumme Frage war. Feuer und Wasser redeten, erzählten, antworteten. Nach und nach lockten sie den Geist des Dichters zu sich, verführten ihn, bemächtigten sich seiner, führten ihn hinüber in die Welt der unzähligen Mythen, die aus ihrer Ewigkeit geboren waren. Er hörte in seinen Ohren, mit tiefer Wirklichkeitsempfindung, die beiden Melodien erklingen, die die innerste Wesenheit der beiden elementaren Willenskräfte ausdrücken, die beiden wunderbaren Melodien, die er gefunden hatte, um sie in das symphonische Geflecht der neuen Tragödie zu verweben. Die bohrenden Schmerzen, die zitternde Ungeduld hörten plötzlich auf, wie durch einen glücklichen Stillstand, eine Pause wonnigen Wahns im Elend. Auch die Arme des Weibes lösten sich, als ob sie einem geheimnisvollen Befehl nach Befreiung gehorchten.
»Es gibt keinen Ausweg« – sagte sie zu sich selbst, als ob sie ein Verdammungsurteil wiederholte, das sie mit ihren Ohren in derselben Weise gehört hatte, wie der andere die gewaltigen Melodien gehört hatte.
Sie bückte sich, stützte das Kinn auf die Hand und den Ellbogen auf das Knie; in dieser Haltung blieb sie, den Blick ins Feuer gerichtet, die Stirn gerunzelt.
Er betrachtete sie, und seine Qual kehrte zurück. Die Ruhepause war allzu schnell wieder vorüber; aber sein Geist hatte sich auf sein Werk gerichtet, und eine Erregung, die der Ungeduld glich, war Zurückgeblieben. Diese Qual erschien ihm jetzt zwecklos; die Verzweiflung der Frau erschien ihm fast lästig, da er sie ja liebte, da er sie begehrte und seine Liebkosungen stürmisch waren, und da sie beide frei waren, und der Ort, an dem sie lebten, ihren Träumen und ihren Freuden günstig war. Er hätte ein unvorhergesehenes Mittel finden mögen, um den eisernen Reif zu durchbrechen, um den trüben Dunst zu zerstreuen, um die Freundin wieder zur Freude zu erwecken. Er suchte bei seinem zartesten Empfinden nach irgendeiner Eingebung, um der Traurigen ein Lächeln zu entlocken, um sie zu besänftigen. Aber jetzt fand er nicht mehr jene hingebende Schwermut, jenes zitternde Mitleiden, das seinen Fingern eine so süße
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