Feuer (German Edition)
der Stadt mitteile, so daß Paläste, Kuppeln und Glockentürme, auf dem Wasser schwimmend, wie Schiffe hin und her schwankten. Die aus der Tiefe heraufgerissenen Wasserpflanzen wurden mitsamt ihren weißlichen Wurzeln herumgewirbelt. Schwärme von Möwen kreisten im Wind, und man hörte von Zeit zu Zeit ihr seltsames, kreischendes Gelächter, das über den unzähligen vom Sturmwind aufgewühlten Schaumköpfen schwebte.
»Richard Wagner!« – sagte plötzlich heftig erregt Daniele Glàuro mit leiser Stimme und zeigte auf einen Alten, der an die Brüstung des Vorderdecks gelehnt stand. »Dort, mit Franz Liszt und Frau Cosima. Siehst du ihn?«
Auch Stelio Effrenas Herz klopfte stärker; auch für ihn verschwand plötzlich die ganze Umgebung, wurde die bittere Verdrossenheit unterbrochen, hörte der Druck der trägen Langeweile auf; und nichts blieb übrig, als das Gefühl übermenschlicher Macht, das durch diesen Namen hervorgerufen wurde, und als einzige Realität über all diesen nichtigen Larven blieb die Welt des Idealen, die dieser Name heraufbeschworen hatte, rings um den kleinen Alten, der da über den Aufruhr der Wasser gebeugt stand.
Der siegreiche Genius, die Treue in der Liebe, die unwandelbare Freundschaft, die erhabensten Erscheinungen der heroischen Natur, sie waren hier, im Sturmgebraus, noch einmal schweigend beisammen. Dasselbe blendende Weiß krönte die drei dicht vereinten Personen: ihre Haare schimmerten ungewöhnlich weiß über ihren traurigen Gedanken. Eine unruhige Traurigkeit lag auf ihren Gesichtern, in ihrer Haltung, als ob ein gemeinsames düsteres Vorgefühl schwer auf ihren gleichfühlenden Herzen laste. Die Frau hatte in dem schneeweißen Gesicht einen kräftigen Mund, in festen, klaren Linien, der eine starke, ausdauernde Seele verriet; und ihre stahlhellen Augen waren beständig auf ihn gerichtet, der sie zur Gefährtin in diesem erhabenen Kampf erwählt hatte, beständig anbetend und beobachtend auf ihn, der, nachdem er jede feindliche Macht besiegt hatte, den Tod, der ihn fortwährend bedrohte, doch nicht würde besiegen können. Dieser angstvolle und beschirmende weibliche Blick stand also im Gegensatz zu dem unsichtbaren Blick des anderen und schuf um den Schützling herum einen unbestimmten, düsteren Schatten.
»Er scheint zu leiden« – sagte Daniele Glàuro. – »Siehst du nicht? Er macht den Eindruck, als wolle er umsinken. Wollen wir nähergehen?«
Mit unaussprechlicher Bewegung betrachtete Stelio Effrena die weißen Haare unter dem breiten Filzhut, die der rauhe Wind hin- und herbewegte, und das fast leichenfarbne Ohr mit dem geschwollenen Ohrläppchen. Dieser Körper, der im Kampfe durch einen so stolzen Herrscherinstinkt aufrecht erhalten worden war, hatte nun den Anschein eines hilflosen Bündels, das der Sturmwind davontragen und zerstören konnte.
»Ach, Daniele, was können wir für ihn tun?« – sagte er zu seinem Freunde, von einem religiösen Bedürfnis ergriffen, durch irgend ein Zeichen seine Verehrung und sein Mitgefühl für dieses große, besiegte Herz zu offenbaren.
»Was können wir tun?« – wiederholte der Freund, dem sich plötzlich derselbe glühende Wunsch mitteilte, irgend etwas von sich dem Helden, der das Menschenschicksal erlitt, darzubringen.
Sie waren beide wie eine einzige Seele in dieser Empfindung der Dankbarkeit und der Ergriffenheit, in diesem plötzlichen Hervorbrechen ihres tiefinnersten Edelsinns.
Aber sie konnten ihm nichts anderes geben, als was sie gaben. Es nützte nichts, das geheime Werk des Übels zu unterbrechen. Und beide empfanden tiefes Weh beim Anblick dieser weißen Haare, dieses schwachen, halb leblosen Dinges, das im Nacken des Alten heftig hin- und hergeweht wurde vom Winde, der vom offenen Meer herkam und der aufgewühlten Lagune die Laute und die schaumigen Wellen des Meeres verlieh.
»Ha, stolzer Ozean! – In kurzer Frist sollst du mich wieder tragen! – Das Heil, das auf dem Land ich suche, nimmer – Werd ich es finden! Euch, des Weltmeers Fluten - bleib' ich getreu ...« Die gewaltigen Harmonien des Gespensterschiffes brausten durch Stelio Effrenas Erinnern, zusammen mit dem verzweiflungsvollen Ruf, der von Zeit zu Zeit hindurchklingt. Und er glaubte, im Winde das wilde Lied der Mannschaft auf dem Schiffe mit blutroten Segeln zu vernehmen: »Johohe! Johohoe!« – – Schwarzer Hauptmann, geh' ans Land, – Sieben Jahre sind vorbei! ...« Und in seiner Phantasie erstand lebendig die Gestalt des jungen
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