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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Richard Wagner: er sah vor sich den in den wirren Schrecknissen von Paris verlorenen Einsiedler, der, von einem wunderbaren Fieber verzehrt, elend aber ungebrochen, fest an seinen Stern glaubt und entschlossen ist, die Welt sich zu bezwingen. In der Sage vom bleichen Seemann hatte er ein Bild seines eigenen rast-und ruhelosen Lebens, seines wütenden Kampfes, seiner erhabensten Hoffnung wiedergefunden. »Doch kann dem bleichen Mann Erlösung einstens noch werden, – Fänd' er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden! –«
    Dieses Weib stand hier, an der Seite des Helden, eine nimmer rastende Hüterin. Auch sie kannte, wie Senta, das höchste Gebot der Treue; und der Tod stand im Begriff, das heilige Gelübde zu lösen.
    »Glaubst du, daß er, in die Poesie der Sagen versenkt, sich eine besondere Todesart geträumt hat, und daß er nun die Natur täglich bittet, sein Ende seinem Traum entsprechend zu gestalten?« – fragte Daniele Glàuro, der geheimnisvollen Macht gedenkend die den Adler zwang, gegen einen Felsen des Äschylos' Stirne einzutauschen, und die Petrarka sein leben einsam über den Seiten eines Buches aushauchen hieß. – «Wie müßte wohl ein seiner würdiges Ende beschaffen sein?«
    »Eine neue Melodie von unerhörter Gewalt, die ihm in seiner frühen Jugend undeutlich vorgeschwebt, und die er damals nicht hat festhalten können, müßte plötzlich, gleich einem scharfen Schwert, sein Herz zerspalten.«
    »Du hast recht« – sagte Daniele Glàuro.
    Vom heftigen Winde gejagt, kämpften die Wolkenmassen, sich übereinander türmend, am Himmelsraum; im Wasser schwankende Türme und Kuppeln schienen gleichfalls ihre Umrisse zu verlieren; und die Schatten der Stadt und die Schatten des Himmels flossen auf den aufgerührten Wassern, ineinander und verschmolzen, gleich als würden sie von Mächten hervorgebracht, die in gleichem Chaos sich auflösten.
    »Beobachte den Magyaren, Daniele. Er ist zweifellos ein groß angelegter Mensch: er hat dem Helden mit unbegrenzter Aufopferung und unbegrenzter Treue gedient. Und mehr als seine Kunst weiht ihn diese Hingabe der Unsterblichkeit. Aber beobachte, wie er sein echtes und starkes Gefühl zu einer förmlich komödiantenhaften Zurschaustellung verwertet, in dem fortwährenden Bedürfnis, eine Rolle zu spielen und dem Publikum ein glänzendes Bild von sich aufzudrängen.«
    Der Abbé richtete seinen hageren, knochigen Körper, der wie von einem Panzer umschlossen schien, in die Höhe; und so, in aufrechter Haltung, entblößte er sein Haupt, um zu beten, um ein stummes Gebet an den Gott der Stürme zu richten. Der Wind spielte mit seinem dichten, langen, schneeweißen Haar, der mächtigen Löwenmähne, deren Wetterleuchten so oft die Menge und die Frauen elektrisiert hatte. Seine magnetischen Blicke waren gen Himmel gerichtet, während sich auf seinen schmalen, dünnen Lippen, die dem faltigen, scharfen, von großen Warzen verunzierten Gesicht einen mystischen Zug verliehen, unausgesprochene Worte abzeichneten.
    »Was macht das?« – sagte Daniele Glàuro. – »Er hat die göttliche Gabe der Begeisterung und Sinn für übermächtige Kraft und unbeugsame Leidenschaft. Hat seine Kunst sich nicht an Prometheus, Orpheus, Dante und Tasso gewagt? Richard Wagner hat ihn angezogen wie eine elementare Naturkraft; vielleicht hörte er in ihm, was er in seiner symphonischen Dichtung ›de ce qu'on entend sur la montagne‹ versucht hatte, auszudrücken.«
    »Du hast recht« – sagte Stelio Effrena.

    Aber beide schraken zusammen, als sie mit der Gebärde eines, der im Dunkeln ertrinkt, den über die Brüstung geneigten Greis sich plötzlich umwenden und sich krampfhaft an seine laut aufschreiende Gefährtin anklammern sahen. Sie stürzten hinzu. Alle auf dem Schiff Anwesenden, von dem angstvollen Schrei betroffen, liefen und drängten herbei. Ein Blick der Frau genügte, und keiner wagte es, dem reglosen Körper nahe zu kommen. Sie selbst hielt ihn, bettete ihn sorgsam auf einen bequemen Sessel, fühlte seinen Puls, beugte sich über sein Herz, um zu horchen. Ihre Liebe und ihr Schmerz zauberten rings um den bewegungslosen Mann einen unverletzlichen Kreis. Alle wichen zurück und verharrten in angstvollem Schweigen und erwarteten das Zurückkehren des Bewußtseins in dieses totenfahle Gesicht mit Spannung.
    Auf die Knie der Frau gebettet, blieb er regungslos liegen. Zwei tiefe Furchen liefen längs der Wangen nach dem halb geöffneten Munde und vertieften sich

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