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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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das Bedürfnis, sich anzubieten, zu dienen, einem Befehle zu gehorchen, der sie in Gefahr und Kampf schickte zu seinem Besten.
    »Was kann ich dir geben?«
    Er lächelte ein wenig, während Müdigkeit ihn überkam.
    »Was willst du? Ach, ich weiß es!«
    Er lächelte und ließ sich zärtlich hegen und pflegen von dieser Stimme, von diesen duftenden Händen.
    »Alles, nicht wahr? Du willst alles.«
    Er lächelte schwermütig, wie ein krankes Kind, dem ein Gefährte von schönen Spielen erzählt.
    »Ach, wenn ich's vermöchte! Aber niemand auf Erden, süßer Freund, kann dir je etwas geben, das für dich von Wert wäre. Einzig von deiner Poesie und von deiner Musik kannst du alles verlangen. Ich entsinne mich jener Ode von dir, die mit den Worten beginnt: Ich war Pan.«
    Er bettete seine Stirn, die sich wieder zu erhellen begann von innerer Schönheit, an das treue Herz.
    »Ich war Pan!«
    Der leuchtende Glanz jenes lyrischen Momentes, der schöne Wahnsinn der Ode erwachte in seinem Geist.
    »Hast du heut dein Meer gesehen? Hast du den Sturm gesehen?«
    Er schüttelte den Kopf, ohne zu antworten.
    War der Sturm gewaltig? Du hast mir einmal erzählt, daß unter deinen Vorfahren viele Seeleute gewesen sind. Hast du an dein Haus gedacht, das auf der Düne steht? Hast du Heimweh nach Dünensand? Möchtest du dorthin zurückkehren? Du hast viel gearbeitet da unten, gute, starke Arbeit. Jenes Haus ist gesegnet. Deine Mutter war bei dir, wenn du arbeitetest. Du hörtest sie leise durch die benachbarten Zimmer gehen ... Lauschte sie wohl manches Mal?«
    Er drückte sie schweigend an sich. Ihre Stimme drang ihm ins Innere und schien seine verschlossene Seele gleichsam zu lösen.
    »Und auch deine Schwester war bei dir? Du hast mir einmal ihren Namen genannt. Ich habe ihn nicht vergessen. Sie heißt Sofia. Ich weiß, daß sie dir ähnlich sieht. Ich möchte sie einmal sprechen hören oder sie auf einem Waldpfad vorbeigehen sehen ... Eines Tages hast du ihre Hände gepriesen. Sie sind schön, nicht wahr? Du hast mir eines Tages gesagt, daß, wenn sie betrübt ist, sie ihr wehe tun, ›als wären sie die Wurzeln ihrer Seele‹. So sagtest du zu mir: die Wurzeln ihrer Seele!«
    Fast glückselig hörte er ihr zu. Wie hatte sie das Geheimnis dieses Balsams entdeckt? Aus welcher verborgenen Quelle schöpfte sie den melodischen Fluß dieser Erinnerungen?
    »Sofia wird niemals erfahren, was sie einer armen Pilgerin Gutes angetan hat! Ich weiß wenig von ihr, aber ich weiß, daß sie dir ähnlich sieht; und ich konnte sie mir gut vorstellen. (Auch jetzt sehe ich sie.) In fernen Ländern, weit, weit fort, wenn ich mich zwischen fremden harten Menschen verloren fühlte, ist sie mir öfter als einmal erschienen; sie ist gekommen, um mir Gesellschaft zu leisten. Sie erschien plötzlich, ungerufen, unerwartet... Einmal in Mürren, wohin ich nach mühseliger, langer Reise gekommen war, um eine arme, sterbende Freundin zum letztenmal zu sehen ... Es war in der ersten Morgenfrühe: die Berge hatten jene zarte, kalte, smaragdgrüne Färbung, die man nur auf Gletschern sieht, die Farbe von etwas ewig Fernem, ewig Unberührtem, ach so Ersehntem, so Beneidenswertem! Warum kam sie? Wir warteten, gemeinsam. Die Sonne berührte den obersten Gipfel der Berge. Da strahlte ein leuchtender Regenbogen auf, dauerte einige Augenblicke und verschwand. Sie schwand dahin mit dem Regenbogen, mit dem Wunder ...«
    Fast glückselig hörte er ihr zu. War nicht die ganze Schönheit und die ganze Wahrheit, die er ausdrücken wollte, enthalten in einem Stein oder in einer Blume jener Berge? Kein noch so tragischer Kampf menschlicher Leidenschaften wog die Erscheinung jenes Regenbogens über dem ewigen Schnee auf.
    »Und ein anderes Mal?« – fragte er leise, denn die Pause wurde immer länger, und er fürchtete, sie wolle nicht mehr fortfahren.
    Sie lächelte; dann verdüsterte sie sich.
    »Ein anderes Mal in Alexandrien in Ägypten, an einem Tage wirren Entsetzens, wie nach einem Schiffbruch ... Die Stadt bot den Anblick der Verwesung; sie schien verfault, vermodert ... Ich entsinne mich: eine Straße voll schlammig-trüben Wassers; ein zum Skelett abgemagertes grauweißes Pferd, Mähne und Schweif mit Ocker gefärbt, das darin herumwatete; die Grabsäulen eines arabischen Friedhofs; das ferne Leuchten des Sumpfes von Marnotis ... Ekel, Verdammnis ...!«
    »O geliebtes Herz, nie mehr, nie mehr sollst du verzweifelt und einsam sein!« – sagte er, das Herz geschwellt

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