Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
Manhattan zu kommen und mich zu sehen. Wir trafen uns in einem recht leeren AMC-Kino am Times Square zu einer Frühvorstellung von The Wrestler.
»Ich habe versucht, dich zu vergessen«, sagte darin Randy »the Ram«, ein Profiringer, der völlig am Ende ist und von dem ausgezehrten Mickey Rourke gespielt wird, zu seiner Tochter. »Ich habe versucht so zu tun, als gäbe es dich nicht, aber es gelingt mir nicht. Du bist mein kleines Mädchen. Und jetzt bin ich ein altes, gebrochenes Stück Fleisch und bin alleine. Ich verdiene es auch, alleine zu sein. Ich möchte nur nicht, dass du mich hasst.« Heiße Tränen rannen mir über die Wangen. Peinlich berührt versuchte ich, das Wogen in meiner Brust unter Kontrolle zu bringen, aber durch die Anstrengung fühlte ich mich noch schlechter. Ohne etwas zu meinem Vater zu sagen, sprang ich auf und lief zur Toilette des Theaters, wo ich mich in einer Kabine einschloss und meinen Tränen freien Lauf ließ, bis das Gefühl verschwunden war. Kurz darauf sammelte ich mich wieder und ging in den Vorraum, um mir Gesicht und Hände zu waschen, wobei ich das betroffene Gaffen einer Blondine mittleren Alters am Waschbecken nebenan ignorierte. Als sie hinausgegangen war, starrte ich mein Bild im Spiegel an. Hatte tatsächlich Mickey Rourke mich derart mitgenommen? Oder war es diese ganze Vater-Tochter-Geschichte? Mein Vater war alles andere als liebevoll, gewöhnlich vermied er Worte wie »Ich liebe dich«, auch bei seinen Kindern. Wir hatten immer wieder unter diesem Mangel gelitten. Das einzige Mal, dass er seinen eigenen Vater geküsste hatte, war, als mein Großvater auf dem Totenbett lag. Und nun nahm er sich bei seinem gedrängten Arbeitsplan die Zeit, neben mir in einem leeren Theater zu sitzen. Also das war wirklich beunruhigend.
Nimm dich zusammen, sagte ich lautlos zu mir. Du benimmst dich lächerlich.
Ich setzte mich wieder neben meinen Vater, der meinen emotionalen Ausbruch nicht bemerkt zu haben schien, und stand den restlichen Film ohne weiteren Zusammenbruch durch. Nach dem Abspann bestand mein Vater darauf, mich zu meiner Wohnung zu begleiten, und bot an, sie auf Wanzen abzusuchen, auch wenn klar war, dass er vor allem um meine Gesundheit besorgt war und noch etwas Zeit mit mir verbringen wollte.
» Sie sagen also, dass du Mono hast, hä?«, fragte er. Anders als meine Mutter, die gewissenhaft die Liste der besten Ärzte im New York Magazine verfolgte, hatte mein Vater ärztlicher Autorität immer misstraut. Ich nickte und zuckte mit den Achseln.
Als wir uns meiner Wohnung näherten, füllte sich mein Magen mit dieser unerklärlichen, inzwischen jedoch vertrauten Furcht. Ich merkte plötzlich, dass ich nicht wollte, dass er mit hereinkäme. Wie die meisten Väter hatte er mich, als ich Teenager war, geschimpft, weil ich mein Zimmer so verdrecken ließ, daher war ich daran gewöhnt. Heute jedoch war es mir peinlich, als sei mein Zimmer ein Sinnbild für mein in Unordnung geratenes Leben. Ich fürchtete mich vor dem Gedanken, er würde sehen, wie ich wohnte.
»Was zum Teufel ist das für ein Geruch?«, fragte er, als ich die Tür aufsperrte.
Scheiße. Ich griff nach einer Duane-Reade-Plastiktüte neben der Tür. »Ich habe vergessen, die Katzenstreu zum Müll mitzunehmen.«
»Susannah. Du musst endlich in die Pötte kommen. So kannst du doch nicht leben. Du bist immerhin erwachsen.«
Wir standen beide im Flur und schauten in mein Apartment. Er hatte recht: Es war verwahrlost. Schmutzige Kleidung lag auf dem Boden verstreut. Der Mülleimer quoll über. Und die schwarzen Müllsäcke, die ich während der Wanzenhysterie befüllt hatte, bevor der Kammerjäger vor drei Wochen die Wohnung ausgesprüht hatte, standen noch immer herum. Es waren keine Wanzen aufgetaucht und es hatten sich auch keine weiteren Bisse gezeigt. Inzwischen war ich davon überzeugt, dass die Sache erledigt war – und ein kleiner Teil von mir fragte sich bereits, ob es überhaupt jemals welche gegeben hatte.
Kapitel 5
Cold Roses
A m nächsten Tag ging ich wieder zur Arbeit, es war ein Donnerstag, sodass ich gerade noch genügend Zeit hatte, eine Story fertig zu schreiben und zwei weitere vorzuschlagen. Keine entsprach den Anforderungen.
»Bitte die LexisNexis-Nachforschungen vorziehen«, schrieb Steve als Antwort auf meine neuen Vorschläge.
Unsicherheit ist ein Teil des Jobs , sagte ich mir. Reporter leben in einem Zustand ständiger Selbstzweifel: Manchmal erleben wir katastrophale
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