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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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Krankheitsnamen getröstet, egal wie dieser lautete, und der erklärte, was mit mir passiert war, auch wenn er nicht so ganz verstand, was das alles bedeutete. Alles, was die Ärztin sagte, passte perfekt auf meinen Fall, wie die abnormen Gesichtstics, das Lippenschmatzen und der Zungenschlag zusammen mit meinen synchronen, starren Körperbewegungen. Wie sie weiter erklärte, entwickeln die Patienten auch häufig autonome Symptome: Blutdruck und Herzfrequenz, die zwischen hoch und niedrig schwanken – auch das passte auf meinen Fall. Sie musste kaum darlegen, dass ich mich nun im katatonischen Stadium befände, das den Höhepunkt der Erkrankung markiert, zugleich aber auch einem Atemversagen, Koma und in manchen Fällen dem Tod vorausgeht. Die Ärzte schienen gerade noch rechtzeitig die Diagnose gefunden zu haben.
    Als Frau Dr. Russo zu erklären begann, dass es Behandlungen gibt, die den Krankheitsverlauf nachweislich umkehren können, wäre mein Vater beinahe auf die Knie gesunken und hätte Gott gleich dort im Krankenzimmer gedankt. Dennoch warnte Frau Dr. Russo, dass, selbst wenn man eine Diagnose habe stellen können, noch erhebliche Fragezeichen blieben. Wenn auch 75 Prozent der Patienten vollständig genesen oder nur leichte Symptome zurückbehielten, so blieben doch über 20 Prozent dauerhaft behindert und 4 Prozent starben, trotz einer raschen Diagnosestellung. Bei den besagten »leichten« Symptomen könnte es sich dabei um den Unterschied zwischen meinem alten Ich und einer neuen Susannah handeln, einer Susannah, die vielleicht nicht mehr den Humor, die Vitalität oder den Schwung haben könnte wie zuvor. »Leicht« ist ein vager und ungenau definierter Begriff.
    »In rund 50 Prozent der Fälle wird die Krankheit durch einen Eierstocktumor ausgelöst, ein sogenanntes Teratom, in den anderen 50 Prozent hingegen wird die Ursache nie entdeckt«, fuhr Frau Dr. Russo fort.
    Mein Vater schaute sie fragend an. Was zum Teufel ist ein Teratom?
    Wahrscheinlich war es das Beste, dass er es nicht wusste. Als dieser Tumortyp Ende des 19. Jahrhunderts identifiziert wurde, tauften deutsche Ärzte ihn »Teratom« nach dem griechischen Wort teraton, was so viel wie »Ungeheuer« bedeutet. Diese verdrehten Zysten waren eine Quelle der Faszination, auch als es dafür noch keine Bezeichnung gab: Die erste Beschreibung geht auf einen babylonischen Text aus dem Jahr 600 v. Chr. zurück. Die Zysten schwanken in der Größe von mikroskopisch klein bis faustgroß (oder sogar noch größer) und enthalten Gewebe von Haaren, Zähnen, Knochen und gelegentlich sogar Augen, Gliedmaßen oder Gehirn. Häufig befinden sie sich in den Reproduktionsorganen, aber sie können auch im Gehirn, im Schädel, in der Zunge, im Nacken vorkommen und ähneln eitergefüllten Haarbällen. So wie bei diesen haarigen, mit Zähnen versehenen Kreaturen der Horrorfilmreihe Critters aus den 1980er-Jahren. Die einzige gute Nachricht dabei ist, dass sie in der Regel – wenn auch nicht immer – gutartig sind.
    »Wir müssen eine transvaginale Untersuchung durchführen, um zu sehen, ob es irgendwelche Tumoranzeichen gibt«, sagte Frau Dr. Russo. »Wir werden auch untersuchen, um zu sehen, ob eine Verbindung zu ihrem früheren Melanom besteht. Sollte dies der Fall sein, müssten wir eine Chemotherapie einleiten.«
    »Chemotherapie.« Mein Vater wiederholte das Wort in der Hoffnung, es falsch verstanden zu haben. Aber das war nicht der Fall.
    Mein Vater schaute zu mir herüber. Ich hatte die ganze Zeit über zur Seite gestarrt, wie losgelöst von diesem Austausch und anscheinend nicht in der Lage, die Bedeutung dieses Augenblicks zu ermessen. Plötzlich jedoch, bei dem Wort »Chemotherapie«, begann sich meine Brust zu heben und ich stieß einen tiefen Seufzer aus. Tränen rannen mir über das Gesicht. Mein Vater eilte zu mir und nahm mich in die Arme. Ich schluchzte weiter, ohne ein Wort zu sagen, und Frau Dr. Russo wartete ruhig, während er mich im Arm wiegte. Er konnte nicht sagen, ob ich verstand, worum es ging, oder ob ich lediglich die erhöhte Spannung im Raum wahrnahm.
    »Das bringt mich um«, sagte ich mit hoher, jedoch emotionsloser Stimme, trotz meiner Schluchzer. »Ich sterbe hier.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte er. Seine Arme um meinen Kopf gelegt, konnte er den Kleber in meinem Haar riechen. »Wir werden dich hier herausholen.«
    Nach kurzer Zeit hörte mein Schluchzen auf und ich legte mich aufs Bett zurück, den Kopf gegen das Kissen

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