Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
war. Wenn ich sprach, kamen die Worte ohne jegliche emotionale Färbung aus meinem Mund.
Sie ging zu den kognitiven Fähigkeiten über. Sie hielt ihren Stift hoch und fragte: »Was ist das?«
»Tift«, antwortete ich. Auch dies war nicht sehr unüblich für jemanden mit meinem Beeinträchtigungsgrad. Man nennt es lautgetreue Paraphasie, wenn jemand ein Wort durch ein anderes, ähnlich klingendes ersetzt.
Als sie mich bat, meinen Namen zu schreiben, malte ich mühevoll ein »S« und fuhr den Buchstaben mehrmals nach, bevor ich zum »U« weiterging, bei dem ich dasselbe tat. Es dauerte mehrere Minuten, bis ich meinen Namen geschrieben hatte. »Okay, würden Sie bitte diesen Satz für mich schreiben: ›Heute ist ein schöner Tag‹.«
Ich malte die Buchstaben, fuhr jeden mehrmals nach und schrieb einige Wörter auch falsch. Meine Handschrift war so unsicher, dass Frau Gendal den Satz kaum erkennen konnte.
Sie schrieb ihren Eindruck in die Kartei: »Es ist schwierig, gerade einmal zwei Tage nach der Operation zu bestimmen, in welchem Ausmaß die Kommunikationsdefizite sprachbasiert sind oder durch die Medikation oder kognitive Defizite verursacht. Die Kommunikationsfunktion ist eindeutig dramatisch reduziert im Vergleich zu dem Niveau vor der Erkrankung, als die Patientin als erfolgreiche Journalistin für eine Lokalzeitung schrieb.« Mit anderen Worten schien es einen dramatischen Unterschied zwischen der Person, die ich einmal war, und der Person zu geben, die ich nun war; es war zu diesem Zeitpunkt aber schwierig, meine Verständnisprobleme von meiner Kommunikationsunfähigkeit abzugrenzen – und zu sagen, ob diese lang- oder kurzfristig anhalten würden.
Am nächsten Tag kam spätvormittags die Neuropsychologin Chris Morrison, sie trug ihr kastanienbraunes Haar hoch aufgetürmt auf dem Kopf, ihre mit grünen Flecken gesprenkelten haselnussbraunen Augen strahlten. Sie kam, um mich anhand des reduzierten Wechsler-Intelligenztests und weiterer Tests zu begutachten, anhand derer einige Faktoren von einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung bis zu traumatischen Hirnverletzungen diagnostiziert werden können. Als sie jedoch das Zimmer betrat, reagierte ich so wenig, dass sie nicht einmal sicher war, ob ich sie überhaupt sehen konnte.
»Wie heißen Sie?« Frau Dr. Morrison begann fröhlich und führte mich durch die einfachen Orientierungsfragen, auf deren korrekte Beantwortung ich inzwischen konditioniert war. Die nächste Fragengruppe bewertete das Aufmerksamkeitsniveau, die Verarbeitungsgeschwindigkeit und das Arbeitsgedächtnis, das sie mit dem Direktzugriffsspeicher (RAM) eines Computers verglich nach dem Motto »Wie viele Programme können Sie gleichzeitig geöffnet halten? Und wie viele Dinge können Sie gleichzeitig im Kopf behalten und wieder von sich geben?«
Frau Dr. Morrison nannte mir eine zufällige Zusammenstellung einstelliger Zahlen zwischen 1 und 9 und bat mich, diese zu wiederholen. Als wir bei fünf Zahlen angelangt waren, musste ich aufgeben, obgleich sieben für Menschen meines Alters und meiner Intelligenz normalerweise die Grenze ist.
Als Nächstes testete sie meinen Wortfindungsprozess, um zu sehen, wie gut ich in der Lage war, auf meine »Datenbank« zurückzugreifen. »Ich möchte Sie bitten, mir so viele Obst- und Gemüsesorten zu nennen wie möglich«, sagte sie und stellte eine Stoppuhr an, die auf 60 Sekunden eingestellt war.
»Äpfel«, begann ich. Mit Äpfeln wird dabei gerne angefangen und ich hatte natürlich auch kürzlich oft an sie gedacht.
»Karotten.«
»Birnen.«
»Bananen.«
Pause.
»Rhabarber.«
Bei diesem Wort schmunzelte Frau Dr. Morrison innerlich. Die Minute war vorüber. Ich hatte es auf fünf Obst- und Gemüsesorten gebracht; eine gesunde Person könnte in dieser Zeit mehr als 20 nennen. Frau Dr. Morrison glaubte, dass ich sehr viel mehr Beispiele wusste; das Problem schien darin zu bestehen, sie abzurufen.
Anschließend zeigte sie mir eine Reihe Karten, auf denen alltägliche Gegenstände abgebildet waren. Ich konnte nur fünf von zehn benennen, ließ Beispiele wie Drachen und Zange aus, obwohl ich kämpfte, als lägen mir die Worte auf der Zunge.
Nun testete Frau Dr. Morrison meine Fähigkeit, die Außenwelt zu sehen und zu verarbeiten. Es müssen sehr viele Dinge zusammenkommen, damit ein Mensch einen Gegenstand genau wahrnehmen kann. Um beispielsweise einen Schreibtisch wahrzunehmen, sehen wir zuerst Linien, die an den Ecken zusammentreffen, dann Farbe,
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