Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
Vom Netzwerk:
»ordentlich« – und niemand konnte mit Gewissheit sagen, ob ich jemals diese optimistischen »90 Prozent« erreichen würde und ob ich je wieder Ähnlichkeit mit meinem früheren Selbst haben würde. Aber sie hatten einen Plan. Erstens würde ich jeden zweiten Mittwoch einen Termin bei Herrn Dr. Najjar haben. Zweitens würde man eine Ganzkörper-Positronen-Emissions-Tomografie (PET) durchführen, die ein dreidimensionales Bild des Körpers liefert und sich vom MRT oder CT insofern unterscheidet, als sie die Körperfunktionen sichtbar macht. Drittens würde ich an einer kognitiven und Sprechrehabilitation teilnehmen, und eine Schwester würde sich rund um die Uhr um mich kümmern. Viertens würde ich oral Steroide verabreicht bekommen, einen Plasmaaustausch und einige weitere IVIG-Infusionen erhalten. Den Ärzten war jedoch bewusst, dass selbst Monate nachdem die Krankheit ihren Lauf genommen hatte und meinem Organismus Immunsuppressiva zugeführt worden waren, noch Antikörper vorhanden sein konnten und die Wiederherstellung zu einem mühsamen Weg werden konnte – nach dem Motto »zwei Schritte vor und einen zurück«.
    Meine Mutter erhielt eine Liste mit den Medikamenten, die ich einnehmen musste: Prednison, Ativan, ein Anxiolytikum zur Behandlung und Vorbeugung katatonischer Symptome, Geodon als Antipsychotikum, Trileptal als Antiepileptikum, Labetalol gegen hohen Blutdruck, Nexium gegen den Reflux, der durch die Steroide verursacht wurde, und Colace gegen die Verstopfung, die durch die Kombination aller dieser Medikamente hervorgerufen wurde. Dennoch hatte jeder auch die Zahl von 4 Prozent Mortalität im Hinterkopf. Trotz allem, trotz der geeigneten Intervention, starben manche Patienten. Zwar hatte meine Krankheit nun einen Namen und es war bekannt, wie wir vorgehen würden, aber vor uns lag noch eine lange, ungewisse Reise.
    Stephen, Lindsey und ich stiegen in Allens Subaru. Als ich Anfang März stationär aufgenommen worden war, war noch Winter gewesen; nun herrschte Frühling in New York. Schweigend fuhren wir nach Summit zurück. Allen drehte das Radio auf und stellte einen lokalen Unterhaltungssender ein. Lindsey schaute zu mir herüber, um zu sehen, ob ich den Song erkannte.
    »Don’t go breaking my heart«, begann eine Männerstimme zu singen.
    »I couldn’t if I tried«, antwortete eine Frauenstimme.
    Das war mein Karaoke-Song im College in St. Louis gewesen. Lindsey zweifelte, dass ich mich erinnerte.
    Ich fing an, ohne im Rhythmus zu sein, mit dem Kopf zu nicken, meine Arme hielt ich starr angewinkelt. Ich schwang meine Ellbogen vor und zurück, als würde ich unbeholfen Skilanglauf betreiben. War dies einer meiner seltsamen anfallsähnlichen Momente oder tanzte ich zu einem alten Lieblingssong? Lindsey konnte es nicht sagen.

Kapitel 33
Die Heimkehr
    D as Haus meiner Mutter in Summit sah an diesem Frühlingstag, an dem ich nach Hause durfte, besonders schön aus. Der Rasen vor dem Haus war saftig grün, und weiße Azaleen, rosa-violette Rhododendren und gelbe Narzissen standen in voller Blüte. Die Sonne schien auf die alten Eichen herab, die der kastanienbraunen Eingangstür an der steinernen Front des Hauses im Kolonialstil Schatten spendete. Es war wunderschön, aber niemand konnte sagen, ob ich es überhaupt wahrnahm. Ich erinnere mich jedenfalls nicht daran. Ich starrte nur vor mich hin und vollführte ständige Kaubewegungen mit meinem Mund, als Allen in die Zufahrt zu dem Ort einbog, den ich die längste Zeit meines jungen Lebens mein Zuhause genannt hatte.
    Das Erste, was ich mir wünschte, war zu duschen. Auf meiner Kopfhaut waren noch immer Reste des Klebers, die wie kieselgroße Schuppen aussahen, und ich trug noch die Metallklammern von der Operation, daher durfte ich mich nur vorsichtig waschen. Meine Mutter bot ihre Hilfe an, aber ich lehnte sie ab, ich war entschlossen, wenigstens diese Kleinigkeit selbst zu bewerkstelligen.
    Nach einer halben Stunde ging Lindsey die Treppe hinauf, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Durch die halb geöffnete Zimmertüre sah sie mich auf dem Bett sitzen, frisch geduscht, die Beine starr zur Seite gebeugt, nervös am Reißverschluss meiner schwarzen Kapuzenjacke nestelnd. Ich kämpfte damit, den Reißverschluss unten zusammenzuführen. Lindsey beobachtete das eine Weile, unsicher, was sie tun sollte; sie wollte mich nicht in Verlegenheit bringen, indem sie an die Türe klopfte und Hilfe anbot, weil sie wusste, dass ich nicht wie ein Kleinkind

Weitere Kostenlose Bücher