Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
durcheinander und fern, dass ich wohl keine lebhafte Unterhaltung zustande bringen würde, spürte ich; stattdessen merkte ich, wie ich mich auf mein errötendes Gesicht und den Schweiß konzentrierte, der sich unter meinen Achseln bildete. Mir wurde klar, was für eine großartige Fertigkeit es ist, gesellig sein zu können.
»Guuuuuuut.« Das Wort kam so schleppend heraus, als habe ich genügend Murmeln im Mund, um damit eine Partie Mankala zu spielen. Meine Gedanken kreisten weiter um diese große Leere. Sag etwas! Ich brüllte innerlich, brachte jedoch nichts heraus. In diesem Schweigen spürte ich, wie die Sonne auf meine Schultern brannte. Kristy blickte mich betroffen an. Nach einem unbehaglichen Moment winkte sie mir zu und erklärte, sie sei spät dran.
»Na dann, es war echt nett, dich zu sehen«, sagte sie und wandte sich zum Gehen.
Ich nickte und sah sie durch die Bahnhofstür davoneilen. Ich wäre auf der Straße beinahe zusammengebrochen. Es war erstaunlich, wie kraftlos ich mich in diesem Augenblick fühlte, vor allem verglichen mit der übermenschlichen Kontrolle, derer ich mich auf dem Höhepunkt meiner Psychose erfreut hatte. Meine Mama, die das Ausmaß dieses niederschmetternden Augenblicks realisierte, nahm meine Hand und führte mich nach draußen zum Auto.
Trotz all dieser nervenaufreibenden, zombieähnlichen Verhaltensweisen sah James genau wie Stephen in manchen Augenblicken die »alte Susannah« durchscheinen. Jeder klammerte sich an die Hoffnung, dass ich letztendlich wieder zurückkommen würde.
Eines Abends, als Hannah zu Besuch kam, saßen wir im Wohnzimmer und schauten Blue Velvet an, einen Film von David Lynch, einem meiner Lieblingsregisseure. Nachdem die erste Viertelstunde des Films gelaufen war, scherzten James und Hannah über die schreckliche Spielweise. Ich sagte nichts, viel später jedoch, als sie sich über etwas anderes unterhielten, unterbrach ich sie, um zu äußern: »Das ist Absicht. Die Spielweise. Das war David Lynchs Stil. In Wild at Heart ist das noch viel besser.«
James und Hannah schwiegen und nickten feierlich. Auch wenn sie an diesem Abend nicht darüber sprachen, würden sie sich später an diesen Moment als weitere Bestätigung dafür erinnern, dass meine alte Persönlichkeit intakt und nur verschüttet war.
Kapitel 38
Freunde
N eben den Spaziergängen zu Starbucks, den TV-Folgen von Friends und den Fahrten zur Eisdiele verbrachte ich die meiste Zeit in einem Zustand ständiger Vorfreude, denn ich wartete wie ein Welpe auf Stephens Ankunft mit dem Nahverkehrszug in Summit.
Da ich nicht Auto fahren konnte, mussten mich meine Mama, Allen oder James zum Bahnhof fahren. An einem Nachmittag, als ich mit meiner Mutter im Auto auf ihn wartete, deutete meine Mama mit dem Finger auf ihn und sagte »Da ist er! Er sieht so anders aus!«
»Wo?«, fragte ich und schaute prüfend in die Menge. Erst als er das Fenster auf der Beifahrerseite erreicht hatte, erkannte ich ihn endlich: Er hatte sich den Bart abrasiert und sein zotteliges, wangenlanges Haar zu einem adretten, nach hinten gegelten Schnitt der 1940er-Jahre schneiden lassen. Er sah noch attraktiver aus als sonst. Als ich ihm zuschaute, wie er ins Auto stieg, wurde ich plötzlich von einem fast schmerzenden Gefühl der Dankbarkeit erfüllt, dass ich einen so selbstlosen, hingebungsvollen Menschen gefunden hatte. Nicht, dass ich es bisher nicht gewusst hätte, aber erst in diesem Augenblick konnte ich die tiefe Liebe für ihn nicht mehr zurückhalten, nicht nur, weil er bei mir blieb, sondern auch, weil er mir in einer unendlich schweren Zeit meines Lebens Sicherheit und Lebenssinn gab. Ich hatte ihn oft gefragt, warum er blieb, und er hatte immer dasselbe gesagt: »Weil ich dich liebe und weil ich es wollte und weil ich wusste, dass du noch da warst.« Egal wie schwer krank ich gewesen war, er hatte mich genügend geliebt, um mich irgendwo da drin noch zu sehen .
Obwohl er behauptet, mein altes Ich noch gesehen zu haben, fanden die meisten anderen Menschen es schwierig, einen Zusammenhang zwischen früher und jetzt herzustellen.
Einige Tage später willigte ich ein, zu einer Begrüßungsparty für Bryan, einem von Stephens und meinen engsten Freunden, zu gehen, der kurz vorher von Austin, Texas, heimgekommen war. Als wir ankamen, war im Hof von Bryans Mutter ein Grill in Betrieb und Erwachsene unterschiedlichen Alters saßen herum, aßen Burger, spielten Boccia und unterhielten sich. Als ich mit Stephen
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