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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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und seinen Schwestern zu den Gästen stieß, hatte ich das Gefühl, in einem luftleeren Raum zu stehen, in dem alle das kranke Mädchen anzugaffen schienen. Obgleich das wahrscheinlich alles nur in meinem Kopf stattfand – viele der Leute hatten keine Ahnung, dass ich krank gewesen war, und noch mehr hatten mich zuvor noch nie gesehen –, hatte ich das Gefühl, als konzentriere sich die ganze Aufmerksamkeit in der schlimmsten Weise auf mich.
    Dennoch erzählten mir Freunde, die dort waren, später, dass ich unnatürlich fröhlich gewirkt hätte und ständig ein künstliches breites Lächeln im Gesicht hatte. Vielleicht war das eine Art Panzer zum Selbstschutz, eine Maske, um mir die angsteinflößenden Horden vom Leib zu halten.
    Auf der Party fragte mich kaum jemand etwas über meinen Krankenhausaufenthalt, auch wenn die Leute, die davon gehört hatten, mir unsicher gegenübertraten, mit niedergeschlagenem Blick, scheinbar beschämt durch ihr wenn auch noch so geringfügiges Wissen darüber, was mir widerfahren war. Für diese Freunde war es, als verlören sie mich vor ihren Augen, während die Ersatz-Susannah da war, um sie an die Person zu erinnern, die ich früher gewesen war. Während der gesamten Zeit kreisten meine Gedanken um Fragen wie: Haben sie gehört, dass ich im Krankenhaus war? Wissen sie, dass ich verrückt war? Anstatt mich am Gespräch zu beteiligen, starrte ich sie unverwandt an, unfähig, etwas zu sagen. Schließlich gab ich den Versuch auf und konzentrierte mich darauf, von der saftigen Wassermelone und den gegrillten Hamburgern zu essen.
    Aber ich hatte meinen Retter: Stephen. Die anderen nannten ihn den »Susannah-Flüsterer«, weil er das Unausgesprochene zu spüren schien. Er stand bei der Party neben mir und ließ mich nie zu weit aus seinem wachsamen Blick. Wenn jemand, der nicht Bescheid wusste, kam, um mit mir zu plaudern, nahm er die Zügel der Unterhaltung in die Hand, nichts, was der normalerweise zurückhaltende, kalifornisch-coole Stephen sonst tat, aber nun eine Notwendigkeit. Wenn ich nicht sprechen konnte, sprach er für mich. Stephen wurde wie mein gekünsteltes Lächeln eine weitere Schicht meines Schutzpanzers.
    Einmal bemerkte eine alte Freundin, Colleen, die von Stephens Schwester Bridget von meinem Krankenhausaufenthalt erfahren hatte, dass mir, als ich ein Stück Wassermelone aß, etwas von dem roten Saft übers Kinn lief und auf mein Kleid tropfte. Sie war hin- und hergerissen: Sollte sie es mir sagen oder es lassen? Sie wollte mich nicht in Verlegenheit bringen, wollte mich aber auch nicht wie ein ahnungsloses Kind so gehen lassen. Bevor sie sich entscheiden musste, wischte mir zum Glück Stephen den Wassermelonensaft vom Kinn.
    Nachdem wir eine Stunde auf der Party gewesen waren, warf ich Stephen einen Blick zu und er nickte verständnisvoll zurück. Es war Zeit zu gehen.
    Mein zweiter, organisierter Ausflug in die Gesellschaft fand in der letzten Maiwoche auf der Hochzeit meines Stiefbruders David statt. Ursprünglich war ich als Brautjungfer vorgesehen gewesen und hatte kurz bevor ich krank wurde das Kleid dafür gekauft. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus regte die Braut jedoch freundlich an, ob es vielleicht besser sei, wenn ich nicht an der Zeremonie teilnehmen würde.
    Damals dachte ich: Offensichtlich geniert sie sich für mich.
    Inzwischen ist mir klar, dass sie aus Besorgnis handelte, aber damals war es ein Beweis für mich, dass ich eine Belastung geworden war. Normalerweise war ich jemand, den die Leute gerne mit einschlossen – Stephen und ich waren sogar auf einer Hochzeit, an der wir vor meiner Krankheit teilgenommen hatten, zum »amüsantesten Paar« gewählt worden –, aber nun war ich zu einer Peinlichkeit geworden. Das traf und verletzte mein fragiles Selbstwertgefühl, das während der zurückliegenden Monate so viel hatte einstecken müssen.
    Dennoch war ich entschlossen, ihr und dem Rest der Hochzeitsgesellschaft zu beweisen, dass ich »es noch draufhatte«. Ich stylte mein Haar mit einem Glätteisen, um die Narbe von der Biopsie zu verstecken, und kaufte ein bonbonrosa Kleid, während Stephen einen modischen Anzug mit einer schmalen Krawatte trug. Knapp einen Monat nach dem Besuch in Rachaels Haus zu der Hochzeit zu gehen, bedeutete einen signifikanten Schritt vorwärts in meinem Genesungsprozess. Ich hatte die Phase beinahe hinter mir, in der ich mich auffallend verquer verhielt, auch wenn mein Gesicht von den Steroiden noch

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