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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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müsse.
    An die erste Sitzung habe ich kaum Erinnerungen, weil ich zu erschöpft war, um getestet zu werden. Das Einzige, woran ich mich erinnere, sind die großen, freundlichen, blauen Augen der jungen Psychologin. Beim zweiten Termin begleiteten mich meine Eltern ins Zimmer 315 des Rusk-Institutes, wo dieselbe Psychologin, Hilary Bertisch, mich in ihr Sprechzimmer holte. Meine Eltern blieben im Wartezimmer. Frau Dr. Bertisch erzählte mir später, dass ich sogar in diesem Stadium von meiner Außenwelt abgeschnitten wirkte und auf ihre Aufforderungen so langsam reagierte, dass sie manchmal überlegte, ob ich sie überhaupt gehört hatte. In gewisser Weise, so sagte sie, ähnelte mein Verhalten den Minussymptomen der Schizophrenie: Ausdruckslosigkeit, Verständnislosigkeit, Mangel an Gefühl, monotones und einsilbiges Sprechen.
    Frau Dr. Bertisch bewertete meine Konzentration und mein Gedächtnis anhand eines Buchstaben-Durchstreichtests, bei dem ich bestimmte Wörter oder Buchstaben in einem, wie es der Zufall wollte, Zeitungsartikel normaler Länge durchstreichen sollte. Zuerst sollte ich jedes h durchstreichen. Ich fand alle, brauchte dafür jedoch 94 Sekunden, womit ich in den Grenzbereich einer Beeinträchtigung gehörte. Danach sollte ich jedes c und jedes e durchstreichen. Ich übersah vier und brauchte für die Aufgabe 114 Sekunden: wieder grenzwertig. Nun kam der schwierigste Teil: Ich sollte auf der Seite jedes und, aber und der/die/das finden. Ich erinnere mich, verwirrt gewesen zu sein und ständig vergessen zu haben, auf welche Wörter ich mich konzentrieren sollte. Ich übersah 25 von 173 Wörtern. Alles, was über 15 liegt, gilt als »schwer beeinträchtigt«. Mein Tempo, meine Genauigkeit und Konzentration waren jämmerlich.
    Sie machte mit dem Arbeitsgedächtnis weiter, wobei die Fähigkeit geprüft wurde, eine Information kurzzeitig im Gedächtnis zu behalten. Sie las mir laut einfache mathematische Textaufgaben vor, die aus dem Elementarbereich stammten, die ich jedoch nur zu 25 Prozent lösen konnte.
    Mein optisches Arbeitsgedächtnis war sogar noch schlechter. Frau Dr. Bertisch zeigte mir einige Sekunden lang das Bild einer bestimmten Form und bat mich anschließend, sie aus dem Gedächtnis nachzuzeichnen. Wie sehr ich mich auch abmühte, ich konnte mir die ursprüngliche Form nicht mehr vorstellen. Hier lag ich im einstelligen Prozentbereich, dem Bereich der schwersten Beeinträchtigung.
    Meine Fähigkeit, Worte aus dem Gedächtnis abzurufen, war ebenso recht dürftig. Frau Dr. Bertisch wiederholte dieselbe Art von Test, der im April durchgeführt worden war, als Frau Dr. Chris Morrison mich bat, Obst- und Gemüsesorten zu nennen. Dieses Mal gab mir Frau Dr. Bertisch jeweils eine Minute Zeit, um so viele Wörter mit f , a und s zu nennen, wie ich konnte:
    F: »Fabel, Fakt, Fiktion, Finger, Fett, fantastisch, Fan, fabelhaft, Fantasie, Furz, Farm.«
    A: »Apfel, Affe, aber, angenehm, an, Anreiz, Antiquität, Animosität, Affe , agil.« (Weil ich »Affe« wiederholt hatte, zählten nur neun).
    S: »Schramme, Schienbein , Schindel, Shit, Schund, Sex, Singen, Song, Schwimmen, Sommer, Situation, schließen.«
    Insgesamt nannte ich in drei Minuten 32 Wörter. Dies war eine signifikante Verbesserung verglichen mit dem Text, den ich im April geschrieben hatte, wo ich in einer Minute nur fünf Worte hatte nennen können – die Durchschnittszahl der Antworten liegt allerdings bei 34.
    Auch bei anderen Aufgaben hatte ich deutliche Fortschritte gemacht. Meine verbale Kommunikation war nun »außergewöhnlich« im 91-Prozent-Bereich. Mein verbales abstraktes Denken, das durch Analogien getestet wurde, wie: »Was verbindet China und Russland?«, lag im oberen Durchschnitt von 85 Prozent. Und obgleich ich Probleme mit grundlegenden kognitiven Funktionen hatte, war ich dennoch in der Lage zu komplexem analytischem Denken, was Frau Dr. Bertisch überraschte. Bei einem Test, zu dem die Mustererkennung gehörte, hatte ich alles richtig, auch wenn ich länger als normal dafür brauchte. Ich konnte kein Achteck von einer visuellen Karteikarte abzeichnen, konnte jedoch komplizierte logische Sprünge machen. Später sagte sie mir, dass die Art, wie ich mich anderen gegenüber präsentierte, nicht mit dem zusammenpasste, was in mir vorzugehen schien. Es gab da eine große Diskrepanz und ich könnte tatsächlich präsenter gewesen sein, als es schien. Ich empfand diese Spaltung ebenfalls. Oft, so wie auf der Party und

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