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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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selbst nicht ganz genau, warum, aber irgendwo musste er schließlich anfangen, und wenn man ohnehin blind im Nebel herumstocherte, dann war ein Ort so gut wie der andere. Darüber hinaus gab es eine Verbindung, auch wenn Will selbst zugeben musste, wie dünn der Strohhalm war, an den er sich klammerte: Es war dieses Haus. Auch wenn hier alles in Schutt und Asche lag, war doch nicht zu übersehen, dass seine Besitzer nicht unbedingt zu den ärmsten Einwohnern der Stadt gehört hatten. Und der Wagen, in den sie Duffy gezerrt hatten, hatte ebenso nach Geld gestunken wie die sonderbare Frau. Es gab eine Verbindung zwischen dem Mädchen und diesem Haus. Es musste sie einfach geben – und sei es nur, weil er sonst mit seinem Latein wirklich am Ende gewesen wäre und genauso gut auch gleich zu Georg und seinen Schlägern zurückgehen konnte.
    Oder sich den Bullen stellen, was vermutlich gesünder wäre –auch wenn es das Ergebnis letzten Endes nur hinauszögern würde. Dass Georg die Intelligenz nicht mit dem Schaumlöffel gefressen hatte, bedeutete nicht, dass man ihn unterschätzen durfte. Wenn er jemanden fertig machen wollte, dann gelang es ihm im Allgemeinen auch, ob sein potentielles Opfer nun im Knast saß oder nicht.
    Statt das Gebäude also zu verlassen, drang Will vorsichtig weiter in die Ruine ein und begann sie zu untersuchen. Er wusste selbst nicht genau, wonach er eigentlich suchte, aber sogar wenn er es gewusst hätte, hätte er es vermutlich nicht gefunden. Das Feuer hatte entweder ganze Arbeit geleistet, oder es war schon jemand hier gewesen, der sorgfältig alle Spuren beseitigt hatte, die irgendwelche Rückschlüsse auf die früheren Bewohner dieses Hauses zuließen. Das Einzige, was er herausfand, war etwas, das er schon gewusst hatte: Die Leute waren wirklich reich gewesen. Die Trümmer, über die er stolperte, bestanden zum größten Teil aus den verkohlten Überresten wertvoller Antiquitäten, und er schätzte, dass allein die Tapeten in dieser Bude mehr gekostet hatten, als er in seinem Job als ehrlicher Autodieb und Hehler in einem Jahr verdiente.
    Dennoch hielt sich die gehässige Befriedigung, die er bei diesem Gedanken eigentlich empfinden sollte, erstaunlicherweise in Grenzen. Stattdessen stellte sich ein Gefühl ein, das ihn selbst überraschte: Je tiefer er in die Ruine eindrang und je mehr Spuren der Zerstörung er sah, umso größer wurde das Gefühl des Bedauerns, das er empfand. Nicht etwa, weil er diese Leute gekannt hätte oder sie ihm Leid taten, sondern einfach, weil etwas so Schönes wie dieses Haus so vollkommen sinnlos zerstört worden war, vielleicht nur wegen einer Nachlässigkeit, weil jemand mit einer Zigarette in der Hand eingeschlafen war oder vergessen hatte, ein Bügeleisen auszuschalten, oder irgendwann vor zehn Jahren ein überforderter Elektriker Mist gebaut und eine Leitung nicht richtig isoliert hatte. Es war einfach nicht gerecht. Etwas so Großes und Prachtvolles wie dieses Haus hätte es verdient gehabt, auch durch etwas Großes zerstört zu werden, nicht durch eine Banalität.
    Obwohl ihm schon nach wenigen Minuten klar wurde, dass das, was er hier betrieb, reine Zeitverschwendung war, durchsuchte er das Erdgeschoss der niedergebrannten Villa sehr gründlich. Noch einmal in den Keller hinabzugehen kam nicht in Frage, denn dort unten wartete das Feuer auf ihn. Ein Teil des Obergeschosses war ebenfalls stehen geblieben, und es gab sogar etwas, das vage an die verschmorten Überreste einer Treppe erinnerte, aber Will wagte es nicht, sie hinaufzugehen. Mit Ausnahme der Außenmauern war diese ganze Bude aus Holz gewesen, und er hatte keine besondere Lust, durch die verkohlte Decke zu brechen und sich an dem vermutlich einzigen stabil gebliebenen Trümmerstück weit und breit aufzuspießen wie ein Schmetterling auf der Nadel eines Insektensammlers.
    Also blieb ihm noch das Nebengebäude, das wie durch ein Wunder von den Flammen verschont geblieben war. Will zögerte jedoch. Er war mittlerweile sicher, dass vor ihm schon jemand hier gewesen war, um gründlich aufzäumen, und wer und warum auch immer es getan hatte, er war ganz bestimmt nicht so zuvorkommend gewesen, das Nebengebäude zu übersehen. Wahrscheinlich fand er nichts anderes als eine leere Garage mit ein paar Ölflecken auf dem Boden. Dazu kam noch etwas. Wenn ihn jemand dabei beobachtete, wie er durch diese Ruine stolperte und seinen Anzug endgültig ruinierte, war das eine Sache. Sah ihn jemand, wie er in

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