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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hinaufführte, dass Will etliche Sekunden zögerte, ihr sein Körpergewicht anzuvertrauen, bevor er schließlich fast resignierend die Schultern hob und den kurzen Aufstieg begann.
    Seine Bedenken waren nicht vollkommen grundlos, wie sich zeigte: Die verrosteten Trittstufen ächzten unter seinem Gewicht, und eins der verdammten Dinger gab tatsächlich nach und brach aus der Wand. Wäre ihm das mit der ersten Stufe passiert, hätte er vermutlich aufgegeben und sich resignierend auf den Rückweg gemacht. Aber er war schon fast oben. Zwischen ihm und dem rostigen Gitter, durch das das staubgraue Licht mehr hindurchzubröseln als zu -scheinen schien, lag jetzt nur noch eine einzige Sprosse. Will testete ihre Festigkeit mit einem zaghaften Rütteln, klammerte sich mit der linken Hand fest und streckte die andere nach dem Gitterrost aus.
    Wenn seine Glückssträhne weiter so anhielt wie bisher, saß das verdammte Ding sowieso so fest wie angeschweißt.
    Im ersten Moment rührte sich das Gitter tatsächlich nicht. Will verstärkte seine Bemühungen. Etwas knirschte, und Will konnte spüren, wie sich irgendetwas von dem Rost löste und zur Seite glitt. Es saß immer noch fest, bewegte sich aber nun spürbar. Will rüttelte heftiger. Diesmal rieselte ihm kein graues Licht ins Gesicht, sondern pulverfeiner Staub, der heftig in den Augen brannte und einen Hustenanfall auslöste, der ihn um ein Haar von der Leiter geworfen hätte.
    Will wartete, bis der Hustenanfall abgeklungen war, wischte sich mit der Linken das Gemisch aus Tränen und Staub aus den Augen (es fühlte sich ein bisschen an wie flüssiges Schmirgelpapier, fand er) und änderte dann seine Taktik: Er klammerte sich mit beiden Händen fest, kletterte eine Sprosse weiter nach oben und stemmte die Schultern gegen das Hindernis.
    Es funktionierte. Das Gitter verharrte störrisch noch einen Moment an seinem Platz und flog dann mit einem Scheppern davon, das noch auf der anderen Rheinseite zu hören sein musste. Will zog instinktiv den Kopf zwischen die Schultern und war fest davon überzeugt, dass ihm im nächsten Moment irgendetwas Schweres und vor allem Scharfkantiges das Gesicht aufreißen würde.
    Aber anscheinend war das Schicksal der Meinung, ihm für diesen Tag übel genug mitgespielt zu haben. Das Scheppern und Krachen hielt noch einen Moment lange an, aber das war auch alles.
    Fast erstaunt über so viel Glück, hob Will vorsichtig den Kopf und sah sich um. Er befand sich nicht unter freiem Himmel, sondern in einem staubigen Kellergewölbe, das nur von schmalen grauflirrenden Lichtstreifen erhellt wurde, die durch zwei vergitterte Fenster hoch oben unter der Decke hereinfielen.
    Dennoch reichte das schwache Licht aus, um ihn den Keller sofort wiedererkennen zu lassen.
    Es war der Heizungskeller, in dem er Duffy getroffen hatte.
    Eigentlich hätte er nicht einmal überrascht sein dürfen. Der Kanal verlief genau unter der Straße, die zu der niedergebrannten Villa führte, und auch die Entfernung stimmte. Und da war noch etwas.
    Das Feuer war hier.
    Und plötzlich wusste ich, dass ich nicht zum ersten Mal hier in diesem düsteren Kellergewölbe war, und dass das, was mir und Maria drohte, auch schon anderen geschehen war. All die Erinnerungsfetzen, die mich in den letzten Jahren gequält hatten, all die langatmigen Einweisungen, die ich von den Ordensschwestern erhalten hatte, all die Hinweise, dass unsere Macht und unser Einfluss nie offenbar werden durften, wollten wir nicht untergehen – all das brach wie eine Flutwelle über mir zusammen, und ich sprang vorwärts, auf die Frau zu, die ihr Messer hob, und auf Maria, die so schreckerstarrt war, dass sie nicht einmal jetzt einen Ton hervorbrachte …
    Und dann war das Feuer da, wie es schon immer da gewesen war, eingesperrt in diesem Gemäuer, eingesperrt in dieser Stadt im Jahre des Herrn fünfzehnhundertsechsundachtzig, wie es seit Anbeginn hier gewesen war. Es entwich der Hand der Frau in Form der Kerze, die sie zusammen mit dem Messer fest umklammert gehalten hatte …
    … und griff nach ihm mit seiner unheimlichen Kraft, so wie er es schon vorhin befürchtet hatte, noch bevor er in die Dunkelheit hineingetreten war. Irgendwie war es Will gelungen, das Gefühl auf dem Weg hierher zu verdrängen, aber natürlich war es die ganze Zeit über da gewesen und hatte sich mit den wirren Erinnerungsfetzen an einen längst vergangenen Stadtbrand in ihm geregt, und nun sprang es ihn an wie eine Spinne, die geduldig

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