Feuer: Roman (German Edition)
das vermutlich verschlossene Gebäude einbrach, eine ganz andere.
Aber nach allem, was er auf sich genommen hatte, um hierher zu kommen, wollte er einfach nicht mit leeren Händen wieder gehen. Will hatte in seinem Leben schon genug Fehler gemacht, um zu wissen, dass jeder irgendwann einmal etwas vergaß – einige dieser Fehler hatten ihm etliche Monate gesiebte Luft eingebracht, und Essen auf Staatskosten. Vielleicht hatten sie ja wirklich irgendetwas übersehen.
Vielleicht ein kleines Zettelchen mit der neuen Adresse der Besitzer, flüsterte eine spöttische Stimme in seinen Gedanken, oder gleich eine Videokassette, auf der der genaue Verlauf der Katastrophe festgehalten war?
Will lächelte über seine eigenen Gedanken, machte sich aber trotzdem auf den Weg.
Er verließ das Gebäude auf der Rückseite und ging in großem Bogen um die weitläufige Ruine herum, um nicht sofort gesehen zu werden, falls jemand von der Straße aus einen neugierigen Blick auf das Grundstück werfen sollte.
Wie er erwartet hatte, war die Tür des stehen gebliebenen Anbaus verschlossen. Es gab eine weitere Tür, die sich aber auf der von der Straße aus einsehbaren Vorderseite befand, und außerdem zwei überbreite Tore, die zu so etwas wie doppelten Doppelgaragen führen mussten, aber Will war sicher, dass auch sie sorgsam abgeschlossen waren. Außerdem war das Risiko, dabei beobachtet zu werden, wie er sich an den Türen zu schaffen machte, einfach zu groß. Also begab er sich zur Rückseite des wie ein spätmittelalterliches Fachwerkhaus gebauten Anbaus.
Hier gab es keine Tür, aber eine Anzahl kleiner Sprossenfenster, durch die er wenigstens schon einmal einen Blick ins Innere riskieren konnte. Wenn er nichts weiter sah als nackten Betonboden und leere Wände, würde er aufgeben und sich irgendwo ein ruhiges Plätzchen suchen, an dem er sich in aller Ruhe selbst Leid tun und darüber nachdenken konnte, wie er sich möglichst effektiv noch weiter in die Scheiße reiten konnte.
Will warf noch einen sichernden Blick nach rechts und links. Das Feuer hatte den Anbau unversehrt gelassen, aber Löschwasser und Ruß hatten ihn dennoch gezeichnet, und, wie es aussah, auch die Motorsägen der Feuerwehr. Die einstmals vermutlich prachtvolle Rhododendron-Hecke, die die Rückseite des Gebäudes vor allzu neugierigen Blicken vom Nachbargrundstück aus geschützt hatte, war nur noch ein verkohltes Gerippe ohne Blätter. Das Haus dahinter war keine zwanzig Meter entfernt. Wenn jemand dort zufällig aus dem Fenster sah, konnte er ihn praktisch gar nicht übersehen.
Aber ganz ohne Risiko würde er nicht auskommen. Außerdem hatte er schließlich nicht vor, die Kronjuwelen zu stehlen, sondern nur einen Blick durch ein Fenster zu werfen. Und je länger er hier herumstand, desto größer war die Gefahr, dass ihn tatsächlich jemand sah.
Will huschte zu dem nächsterreichbaren Fenster, aber das Einzige, was er sah, war die blasse Spiegelung seines eigenen Gesichts. Will hob die Hand über die Augen und presste das Gesicht gegen die leicht nach außen gewölbte Butzenscheibe, auf der ein fast unsichtbarer, aber ekelhaft klebriger Schmierfilm pappte.
Er blickte noch immer in sein eigenes, jetzt verdutzt wirkendes Gesicht.
Mehr verwirrt als wirklich beunruhigt versuchte er es bei der benachbarten Scheibe und auch noch einer dritten, ehe er zum nächsten Fenster ging.
Es blieb dabei: Die Scheiben waren keine Scheiben, sondern Spiegel.
Das war wirklich sonderbar. Natürlich wusste er, dass den Verrücktheiten der Leute keine Grenzen gesetzt waren – vor allem nicht bei Leuten, die Geld hatten –, aber warum um alles in der Welt sollte jemand dieses sündhaft teure Spezialglas, durch das man hinaus-, aber nicht hineinsehen konnte, in eine Garage einsetzen? Nur um seinen neuen Ferrari vor den neidischen Blicken der Nachbarn zu schützen, bestimmt nicht. Autos, die in solchen Garagen abgestellt wurden, dienten im Allgemeinen dem einzigen Zweck, genau solche Blicke zu provozieren.
Will sah noch einmal zum Nachbargrundstück hin, hob aber dann nur mit einem angedeuteten resignierenden Seufzen die Schultern. No risk, no fun, wie es so schön hieß. Er holte aus und stieß seinen Ellbogen mit aller Gewalt gegen die Butzenscheibe, wobei er hoffte, dass das Klirren des zerbrechenden Glases nicht zu weit zu hören war.
Das Einzige, was er im nächsten Moment klirren zu hören glaubte, war sein Ellbogengelenk.
Es war, als hätte er gegen Stahl
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